Eine Gerichtsverhandlung am Amtsgericht Kaufbeuren wegen übler Hetze gewährt Einblicke in das krude Weltbild einer Reichsbürgerin aus Füssen.
Ihren Personalausweis hat sie zerschnitten und am 1. März 2017 im Vorzimmer des Bürgermeisters abgegeben. Schwerer wiegt allerdings der Vorwurf, den Sebastian A. gegen die 59-jährige erhebt, die sich am Montag wegen Volksverhetzung und Sachbeschädigung vor Gericht verantworten musste. Der 37-jährige sagte in dem Prozess als Zeuge vor dem Amtsgericht Kaufbeuren aus, im Oktober 2016 sei er bei Facebook auf einen »Hass-Kommentar« der Angeklagten gestoßen, der es in sich hat.
Mit der Aussage, jeder Andersdenkende, Nicht-Deutsche oder Ausländer sowie Homosexuelle gehöre sofort abgeschlachtet, habe sich die Angeklagte Carola Sch. aus Füssen am 23. Oktober 2016 an einer Diskussion unter einem Post der Nürnberger AfD beteiligt. Sinngemäß sei es im Beitrag der Partei um die Forderung nach einer Ausweisung von Ausländern gegangen. Inzwischen sei der Beitrag und damit alle Kommentare, die er nach sich zog gelöscht. Doch an den Wortlaut könne sich der Zeuge noch immer ganz genau erinnern.
Krude Verschwörungstheorien
Wo dermaßen die Menschenwürde in Frage gestellt würde, müsse er einfach reagieren, erklärte der IT-Kaufmann dem Gericht. Als Reaktion verfasste er zunächst eine höchst beleidigende Antwort an die Angeklagte. Als Teil einer der davon Betroffenen Gruppen hätten ihn die Worte der Angeklagten so sehr aufgewühlt, dass er sich dazu hinreißen ließ. Später habe er den Vorfall bei der Polizei angezeigt. Auf ihrem inzwischen verschwundenen Facebook-Profil habe die Angeklagte quasi »im Minutentakt […] krude Verschwörungstheorien« verbreitet, berichtet der Zeuge.
Solche Verschwörungstheorien verbreitete die Angeklagte auch im Gerichtssaal in Kaufbeuren. Sie meint, von Sebastian A. »verfolgt« zu werden, Als angeblicher Informatiker habe dieser ihren Account bei Facebook »gehackt« und übernommen, um ihr die fraglichen Worte und ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung »unterzuschieben«.
Ein solches Vorgehen sei nicht unüblich, so die Angeklagte. 2000 Angestellte der Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzt, würden dafür sogar bezahlt, behauptet Carola Sch. Dahinter stehe die Familie Rothschild, deren Name häufig in rechtsradikalen und antisemitischen Hetzkampagnen fällt, die meinst den Glauben an eine von dieser gesteuerte vermeintliche jüdische Weltverschwörung verbreiten.
Angeklagte sieht »Staatssimulation«
»Die Rothschilds« sieht die Füssenerin auch als Strippenzieher hinter einer angeblich fortdauernden »Besatzung« Deutschlands durch die US-Armee. »Sie sind die Kriegsbesatzung und ich bin ihre Kriegsgefangene«, warf die Angeklagte dem Gericht vor. Der deutsche Staat existiere nicht, durch eine »BRD GmbH« werde lediglich eine »Staatssimulation« betrieben. Deshalb wolle sie weder den Vertreter der Staatsanwaltschaft noch die Richterin anerkennen.
Die Angeklagte behauptete, dass sie die Aussage gar nicht getätigt haben könne. Sie »habe nichts gegen« die Gruppen, auf die sie sich bezog. Über Homosexuelle glaubt die Angeklagte aber zu wissen, dass diese an einer Krankheit litten. Sie als Frau würden sie ablehnen und verachten. Deshalb sei nicht sie, sondern Homosexuelle zu bestrafen, meint die 59-jährige Erwerbslose.
Schon die Wortwahl schließe sie als Täterin aus. Das Wort »abschlachten« würde sie niemals benutzen – im Gegensatz zu Metzgern oder Muslimen. Letztere hätten den Begriff erst nach Europa eingeführt und würden Christen bedrohen und mehr.
Briefe der Angeklagten »triefen vor Geringschätzung«
Der Vertreter der Staatsanwalt, der die Argumentation der Angeklagten als »Blödsinn« bezeichnete, sieht »überhaupt keinen Zweifel« an der Schuld der Angeklagten. Auch die Richterin ist von der Schuld der Angeklagten überzeugt und verurteilte sie wegen der Sachbeschädigung an ihrem Ausweis, der Eigentum der BRD ist und Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen, insgesamt 1800 Euro. Dagegen will die verschuldete Erwerbslose Berufung am Landgericht einlegen.
Schon einer Fülle an Schriftstücken, die die Angeklagte an das Gericht schickte, »triefen vor Geringschätzung gegenüber Muslimen, Homosexuellen und Ausländern« wie die Aussage auf Facebook, begründete die Richterin ihr Urteil. Der Beitrag der Angeklagten sei angesichts der ohnehin schon aufgeheizten Stimmung dazu geeignet, die Bevölkerung zu weiterem Hass insbesondere gegen Geflüchtete aufzustacheln.
(Titelbild: »Hinter dem Reich steckt der Rechtsextremismus«, schematische Darstellung reichsideologischer Fragmente, aus: Broschüre »Wir sind wieder da« der Amadeu Antonio Stiftung)
2 Gedanken zu „Verschwörungsglaube und Vernichtungswahn“