Allgäuer Festwoche: NS-Hymne, Hitlergrüße und Angriff auf Anwohner

Gäste der Allgäuer Festwoche begehen auch in diesem Jahr rechte Propaganda- und Gewaltdelikte – teils erneut im Umfeld des immer wieder angegriffenen selbstverwalteten Jugendzentrums react!OR. Sämtliche Beteiligte bleiben unerkannt, jetzt sucht sie die Polizei.

»Aufgrund von Mitteilungen über verfassungsfeindliche Parolen im Umfeld des Geländes wurden zwei strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet«, heißt es im polizeilichen Fazit zur Festwoche 2025 in Kempten. Allerdings sind das nicht die einzigen während der Wirtschafts- und Verbrauchermesse mit Volksfestcharakter registrierten rechtsradikalen und strafrechtlich relevanten Vorfälle, wie die Polizei auf Anfrage von Allgäu rechtsaußen einräumt.

Jahr für Jahr kommt es im Umfeld der Festwoche zu entsprechenden Vorfällen. Im vergangenen Jahr warfen Trachtler Fensterscheiben an einem Parteibüro der Grünen sowie am selbstverwalteten Juze react!OR in der Frühlingsstraße, das auch die Redaktion von Allgäu rechtsaußen beherbergt, ein und riefen rechtsradikale Parolen. Rechten aller Couleur ist die Einrichtung ein Dorn im Auge und damit immer wieder Ziel von mitunter organisierten Kampagnen und Angriffen. Ein Teil der Straftaten fand auch in diesem Jahr in der Frühlingsstraße statt.

Mehr zu diesem Thema:  Rechte Angriffe auf Juze, Redaktion und Parteibüro

Polizei sucht mehrere Unbekannte wegen rechtsradikaler Vorfälle

Am selbstverwalteten Jugendzentrum react!OR wurde eine Glasscheibe eingetreten.
Am selbstverwalteten Jugendzentrum react!OR wurde vergangenes Jahr eine Glasscheibe eingetreten.

Der Antwort der Polizei nach ermittelt die Kemptener Polizei  »im Zusammenhang mit der Festwoche gegen mehrere unbekannte Täter wegen staatsschutzrelevanter Delikte«. Konkret eröffnete die Behörde »in vier Fällen ein Verfahren«. Darunter seien drei Fälle des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen und eine versuchte gefährliche Körperverletzung.

Ein Fall betrifft eine unbekannte Fußgängergruppe, aus der »heraus durch einen Einzeltäter Parolen im Bereich der Königstraße, u.a. ›Sieg Heil‹, gegrölt« wurden. In einem weiteren Fall spielten Unbekannte im Bereich der Frühlingsstraße aus einem PKW heraus das verbotene Horst-Wessel-Lied ab. Horst Wessel war Sturmführer der SA, der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP, Verfasste das nach ihm benannte Lied, das nach seinem Tod zur Hymne von Hitlers Partei, später gar zur zweiten Nationalhymne des Nationalsozialismus wurde. Nach seiner Tötung durch Mitglieder der KPD wurde Wessel von der NS-Propaganda zum »Märtyerer der Bewegung« stilisiert.

Mehr zu diesem Thema:  Konterfei von SA-Sturmführer Horst Wessel geschmiert

Hitlergruß und Angriff auf Anwohner

Besucher der Allgäuer Festwoche 2010 im Stadtpark Kempten (CC BY-SA 3.0 Ralf Lienert)

Zudem rief ein Unbekannter im Bereich der Bodmanstraße und in der Frühlingsstraße mehrfach verfassungswidrige Parolen wie »Sieg Heil« und nicht näher benannte beleidigende Äußerungen. Das erklärte die Polizei ebenfalls auf unsere Nachfrage. Nachdem ein Anwohner den wohl an eine Hausmauer urinierenden Unbekannten, angesprochen hatte, habe dieser als Reaktion einen zunächst unbekannten Gegenstand nach ihm geworfen. Der Anwohner wurde nicht getroffen. Zudem habe der Täter weiter verfassungswidrige Parolen, darunter erneut »Sieg Heil« gerufen. Nach aktuellem – bislang unvollständigem – Ermittlungsstand habe es sich beim Wurfgegenstand um eine Glasflasche gehandelt, deren Scherben sichergestellt wurden.

Die Parolen in der Königstraße und die als versuchte Körperverletzung erfasste Tat in der Bodman- und Frühlingsstraße hatte die Polizei bereits zuvor in ihren Berichten für die Presse nur knapp erwähnt. »In der breiten Masse der genannten Delikte war übermäßiger Alkoholgenuss ursächlich«, meint die Polizei in ihrem Resümee zur Festwoche. Insgesamt kam es demnach zu 45 polizeilichen Einsätzen auf dem Festwochengelände, darunter Körperverletzungs-, Beleidigungs- und Diebstahlsdelikte. Dabei registrierte die Polizei rund 30 Straftaten, habe mehrere Hausverbote und Platzverweise, sowie vereinzelt Gewahrsamnahmen vorgenommen. Am Ende habe die Polizei trotz vergleichbarer Besucherzahlen weniger polizeiliche Einsätze und Straftaten als in den Jahren zuvor verzeichnet.


Hilfe: Du hast selbst einen Übergriff erlebt?

Dann kannst du Hilfe bei B.U.D. Bayern bekommen. Das ist eine unabhängige Beratungsstelle für Betroffene von rechten, rassistischen und antisemitischen Übergriffen.

Zeug_innen können sich an B.U.D. Bayern wenden, dann wird der Vorfall registriert und Betroffenen geholfen – wenn sie das wollen.

Wenn du in Baden-Württemberg bist, ist dieLeuchtlinie für dich da.

Eltern, Angehörige und Freunde von Jugendlichen, die sich rechts orientieren, können Hilfe bei der Elternberatung bekommen.

Und wenn du selbst etwas gegen Rechts unternehmen willst, steht dir die Mobile Beratung zur Seite.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert