Soll die Knusserstraße umbenannt werden? Ehemailge Schüler des Kemptener Heimatforschers fordern das. Doch die Stadt stellt sich hinter den früheren Gaukulturwart Schwabens.

Umbenennung mit Gschmäckle

Die Knussertstraße in Kempten wird umbenannt: Statt dem Namen eines NS-Propagandisten soll die Straße nun den eines Monarchisten tragen. Dass ein Antifaschist und eine Feministin zur Wahl standen, verhinderte Oberbürgermeister Thomas Kiechle, der sich zuvor gegen die Umbenennung sperrte. 

»Richard Knussert und Franz Sperr stammten aus dem gleichen bürgerlichen Milieu. Ersterer machte sich mit dem Nationalsozialismus gemein. Einen Gegenentwurf zu dessen Unterstützung des Regimes stellte Sperr mit seiner ablehnenden Haltung gegen den Nationalsozialismus dar.« Deshalb soll die Knussertstraße nach einem Beschluss des Stadtrats nun Franz-Sperr-Straße heißen. Das berichtet die Allgäuer Zeitung am Samstag.

Die Kommision für Erinnerungskultur empfahl den Namen Franz Sperr. Zwar waren als alternative Namensgeber*innen auch Ellen Ammann, Paul Strenkert und WIlly Wirthgen im Gespräch, doch die Standen in der Stadtratssitzung nicht zur Wahl. Oberbürgermeister Thomas Kiechle wollte keine Auswahl zulassen. So hieß es für den Stadtrat: Bleibt die Straße nach einem Nazi benannt oder wird es der Monarchist Sperr?

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Oberbürgermeister versuchte Umbenennung zu verhindern

2018 sperrte sich Kiechle noch gegen die Umbenennung. In einer Stellungnahme hatte er damals erklärt, dass es »keine belastbaren Anhaltspunkte« gebe, die des Heimatforschers Verdienst derart relativeren und schmälern könnten, dass eine Umbenennung der Straße angezeigt wäre. Würde man in solchen Fällen Straßen umbenennen, so Kiechle, müsste man das bundesweit bei nahezu allen nach Personen der Geburtsjahrgänge von 1890 bis 1920 benannten Straßen tun.

Wegen dieser Äußerung wirft die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) dem Bürgermeister vor, Millionen Menschen zu brüskieren, die »Opfer der Todesmaschinerie« der Nazis wurden. Die Antifaschist*innen verweisen auf die »herausragenden Positionen als Gaukulturwart und [Knusserts] Tätigkeit im Reichspropagandaministerium«.

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Widerstand für die Monarchie

Franz Sperr stammte laut Allgäuer Zeitung aus einem katholischen, wenig begüterten Elternhaus. Er wurde 1878 in in Karlstadt am Main geboren. 1886 zog die Familie nach Kempten, wo Sperr das Carl-von-Linde-Gymnasium besuchte. Sperr wurde Berufsoffizier und Gesandter der bayerischen Regierung in Berlin. Sperr schloss sich dem bürgerlichen Widerstand gegen den NS an.

Sein »Sperr-Kreis« strebte die Wiedereinführung der Monarchie in Bayern an. Bei einem Treffen mit Stauffenberg 1944 lehnte er ein Attentat auf Hitler ab.  Stattdessen überlegte er, Bayern während des Vormarsches der Alliierten in Frankreich mit militärischen und polizeilichen Mitteln aus dem Dritten Reich auszugliedern. Wegen Mitwisserschaft zum Attentat vom 20. Juli 1944 erhängten ihn die Nazis am 23. Januar 1945.

Zu wenig Daten über Antifaschisten?

Gedenktafel für Willy Wirthgen

Michael Hofer (UB/ÖDP) hätte lieber Ellen Ammann als Namensgeberin gesehen. Die gebürtige Schwedin habe sich als bayerische Landespolitikerin couragiert für Frauenrechte eingesetzt und 1923 bei der Niederschlagung des Hitler-Putsches eine gewichtige Rolle gespielt. Nach Einschätzung der Kommission ist allerdings der Bezug zu Kempten nicht nachgewiesen. Zum Gewerkschafter Strenkert und Wirthgen hätten angeblich zu wenig Daten vorgelegen.

Zumindest in Sachen Willy Wirthgen ist die Begründung wenig nachvollziehbar. Wie etwa bei der Stolpersteininitiative Kempten nachzulesen ist, arbeitete Wirthgen ab 1928 als Polsterer und Tapezierer in Kempten. Nach dem Besuch der Reichsparteischule der KPD in Fichtenau bei Berlin wurde er 1931 Agitprop-Leiter und Vorsitzender des Erwerbslosenausschusses in Kempten. Im März und April 1933 produzierte Willy Wirthgen zwei illegale Ausgaben der KPD-Zeitung Kempter Mosaik in einer Sennhütte auf dem Grünten.

Auf Grund von Denuziationen wurde Wirthgen mehrfach verhaftet und unter anderem im KZ Dachau, in Buchenwald und wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« im Zuchthaus inhaftiert. Am 10. Dezember 1943 verurteilte ihn das Feldgericht des Kommandeurs der 16. Flak-Division wegen Wehrkraftzersetzung und defätistischen Äußerungen zum Tode durch Erschießen. Das Urteil wurde am 3. April 1944 im Fort de Bondues bei Lille vollstreckt. Seit 2015 erinnert eine Gedenktafel am Haus Hohe Gasse 19 an den Antifaschisten.

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