Bereits am 1. Dezember 2021 trug eine Person einen abgewandelten Davidstern mit der Aufschrift »ungeimpft« auf dem Kopf.

Was macht Querdenken in Ravensburg? (KW01/22)

Allein in Ravensburg bringt das Querdenken-Spektrum im Dezember und Januar trotz Verboten Hunderte auf die Straße. Teils greifen sie die Polizei an oder bagatellisieren die Judenvernichtung im Dritten Reich.

Beginnend ab dem 13. Dezember 2021 haben in den zurückliegenden Wochen im Innenstadtbereich von Ravensburg mehrfach sogenannte »Corona-Spaziergänge« stattgefunden, die faktisch Versammlungscharakter hatten und – entgegen der Behauptung, »spontan« zu sein – einen hohen Organisationsgrad gezeigt haben. Das berichtet die Polizei in einer »Zwischenbilanz zu polizeilichen Ermittlungen nach den sogenannten Corona-Spaziergängen in Ravensburg«.

Polizei sieht »demokratiefeindliche Bestrebungen«

Mit einem Schild wendet sich eine »Querdenkerin« am 13. September 2020 gegen »Volksverräter«, einem zentralen Begriff der NS-Propaganda und -Rechtsprechung, mit dem jegliche Kritik an der nationalsozialistischen Ideologie, insbesondere der rassisch definierten Volksgemeinschaft brutal niedergeschlagen wurde.
Mit einem Schild wendet sich eine »Querdenkerin« am 13. September 2020 gegen »Volksverräter«, einem zentralen Begriff der NS-Propaganda und -Rechtsprechung, mit dem jegliche Kritik an der nationalsozialistischen Ideologie, insbesondere der rassisch definierten Volksgemeinschaft brutal niedergeschlagen wurde.

Die Versammlungen waren laut Polizei grundsätzlich nicht angemeldet, ebenso gaben sich in keinem Fall Versammlungsleiter eigenverantwortlich zur erkennen. Die Vorgaben des Versammlungsrechts für Aufzüge unter freiem Himmel wurden hierdurch bewusst umgangen. Daher erscheint es, so die Polizei »zunehmend fraglich, ob es den Organisatoren tatsächlich immer um das Thema „Corona-Kritik“ geht.« Vielmehr werde »ganz bewusst versucht, den Staat vorzuführen, indem rechtsstaatliche Regeln gezielt missachtet und gebrochen werden.«

Zudem zeichne »sich ab, dass bei den Verantwortlichen nicht nur Corona-Kritiker am Werk sind, sondern Kräfte, welche die freiheitlich-demokratische Grundordnung schlicht ablehnen.« Teilnehmende, die sich »möglicherweise aus einer tatsächlichen Sorge um die Corona-Maßnahmen derartigen unangemeldeten Versammlungen anschließen«, würden »für diese demokratiefeindlichen Bestrebungen instrumentalisiert.« Dass das nicht erst seit Dezember der Fall ist, schreibt die Polizei nicht.

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Impfgegnerin bagatellisiert Judenvernichtung

Bereits am 1. Dezember 2021 trug eine Person einen abgewandelten Davidstern mit der Aufschrift »ungeimpft« auf dem Kopf.
Bereits am 1. Dezember 2021 trug eine Person einen abgewandelten Davidstern mit der Aufschrift »ungeimpft« auf dem Kopf.

Am 1. Dezember 2021 umrundeten rund 200 Personen aus dem Querdenken-Spektrum mehrfach den Weihnachtsbaum am Marienplatz in Ravensburg. Die Partei dieBasis hatte ursprünglich 30 Personen angemeldet. Entgegen einer behördlichen Auflage trug kaum eine*r der Teilnehmenden eine Maske zum Infektionsschutz oder hielt entsprechende Abstände ein.

Eine Teilnehmerin trug einen gelben Stern mit der Aufschrift »ungeimpft« auf dem Kopf, der an den Judenstern angelehnt ist, den die Nazis ihren Opfern anhefteten, bevor sie sie massenhaft ermordeten. Immer wieder fallen die Anhänger*innen von Querdenken damit auf, wie sie die Judenvernichtung im Dritten Reich bagatellisieren, relativieren und deren Opfer verhöhnen. Vielfach inszenieren sie sich selbst als Impfgegner*innen, die die Rolle der damals verfolgten Juden einnähmen und heften sich selbst gelbe Sterne an. Diese Art der Shoah-Relativierung ist als Volksverhetzung strafbar.

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Polizei und Stadt gehen gegen Verantwortliche vor

Auch am 13. Dezember 2021 zeigt die Polizei eine Person wegen des Verdachts der Volksverhetzung an, die einen abgewandelten Davidstern mit dem Schriftzug »Ungeimpft« trug.
Auch am 13. Dezember 2021 zeigt die Polizei eine Person wegen des Verdachts der Volksverhetzung an, die einen abgewandelten Davidstern mit dem Schriftzug »Ungeimpft« trug.

Bereits bei der ersten unangemeldeten Montagsversammlung am 13. Dezember 2021 gelang es der Polizei, drei Personen zu identifizieren, welche offenbar als Versammlungsleiter fungierten. Gegen sie wurden Ermittlungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz aufgrund der Nichtanmeldung eingeleitet. Weiter wurde eine Person wegen des Verdachts der Volksverhetzung angezeigt, die einen abgewandelten Davidstern mit dem Schriftzug »Ungeimpft« trug.

Aufgrund der Erfahrungen dieser Versammlung, insbesondere der Nichtanmeldung, des Nichteinhaltens von Mindestabständen und damit verbunden des Nichttragens von Mund-Nasen-Masken erließ die Stadt Ravensburg am 17. Dezember 2021 für den darauffolgenden Montag, den 20. Dezember 2021, eine Allgemeinverfügung, welche An- und Versammlungen in einem definierten Innenstadtbereich verbot. Verstöße dagegen stellten eine Ordnungswidrigkeit dar.

Demonstrierende greifen Polizei an

Dennoch kam es am 20. Dezember 2021 erneut zu einem großen Aufmarsch von Demonstrierenden, woraufhin seitens der Polizei nach vorheriger Ankündigung Videoaufnahmen zur beweiskräftigen Dokumentation der Teilnehmenden gefertigt wurden. Hier gelang es zwischenzeitlich, bislang etwa 50 Personen namentlich zu identifizieren, gegen die eine Ordnungswidrigkeitenanzeige an die Stadt Ravensburg als Bußgeldbehörde vorgelegt wird. Zudem wird gegen eine Person wegen des Verdachts des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte ermittelt, die versucht haben soll, eine Polizeikette zu durchbrechen. Die Ermittlungen zu dieser Versammlung sind insgesamt noch nicht abgeschlossen.

Nachdem am 23. Dezember 2021 von der Stadt Ravensburg eine weitergehende, ein Verbot für unangemeldete »Montagsspaziergänge« oder ähnliche Versammlungen umfassende neuerliche Allgemeinverfügung erlassen wurde, wurde diese am Montagabend, 27. Dezember 2021, erneut ignoriert, sodass es abermals zu einer Versammlung kam. Auch hier gelang es der Polizei, eine mutmaßliche Versammlungsleiterin zu identifizieren. Sie wurde wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz bei der zuständigen Staatsanwaltschaft angezeigt.

Weiterhin kam es an dem Abend zu einem tätlichen Angriff auf Polizeibeamte, einem Widerstand samt Beleidigung gegen Polizeibeamte, einer Sachbeschädigung an einem Zaun sowie einer Sachbeschädigung an einem Pkw. Die Auswertung der Videoaufzeichnungen und die Ermittlungen hierzu dauern noch an.

Auch im Januar »spazieren« Hunderte durch Ravensburg

Am 28. Dezember 2021 wurde eine Person ermittelt, die in einem sozialen Netzwerk öffentlich zu einer verbotenen Versammlung in Form eines »Spaziergangs« in Ravensburg aufrief. Diese muss sich nun ebenfalls strafrechtlich wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verantworten.

Bei drei kleineren sogenannten »Spaziergängen« in Ravensburg am 30. Dezember 2021, am 1. und am 2. Januar 2022 konnten zwei Mal faktische Versammlungsleiter identifiziert und angezeigt werden. Außerdem kam es zu einer Beleidigung und einem tätlichen Angriff auf Polizeibeamte, welche ebenfalls zur Anzeige gelangen. Am 2. Januar 2022 sollen trotz des Verbots 350 Personen durch Ravensburg gezogen sein.

Bei den jüngsten Demonstrationen am vergangenen Montag, dem 3. Januar 2022, wurden in Ravensburg sieben Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Personen eingeleitet, die das nach wie vor geltende Versammlungsverbot nicht einhielten und in der Innenstadt angetroffen wurden. Außerdem konnte bei der Ausweichversammlung in Friedrichshafen eine mutmaßliche Versammlungsleiterin ausgemacht werden, gegen welche nun ebenfalls strafrechtlich ermittelt wird. Rund 3000 Personen gingen hier auf die Straße.

Teilnehmenden drohen »empfindliche« Strafen

Bereits am 1. Dezember 2021 trug eine Person einen abgewandelten Davidstern mit der Aufschrift »ungeimpft« auf dem Kopf.
Bereits am 1. Dezember 2021 trug eine Person einen abgewandelten Davidstern mit der Aufschrift »ungeimpft« auf dem Kopf.

Bei einer unangemeldeten Versammlung am Donnerstagabend, dem 6. Januar 2022 in Ravensburg, an der etwa 200 Personen teilnahmen, wurden vier Personen identifiziert, gegen die eine Ordnungswidrigkeitenanzeige wegen der Teilnahme trotz des Versammlungsverbots vorgelegt wird. Da eine der Personen bereits zum zweiten Mal diesbezüglich auffällig wurde, muss diese mit einem deutlich erhöhten Bußgeld rechnen. Inwieweit die Personen auch als Versammlungsleiter infrage kommen und möglicherweise auch noch mit einer Strafanzeige rechnen müssen, ist derzeit Gegenstand der Ermittlungen.

Von den hunderten Teilnehmenden will die Polizei bislang 60 Teilnehmende an unzulässigen Aufzügen ermittelt haben, die mit »empfindlichen Bußgeldern zu rechnen« hätten. In acht Fällen habe die Polizei laut Polizeipräsident Uwe Stürmer Strafanzeigen nach dem Versammlungsgesetz gegen identifizierte Versammlungsleiter oder Wortführer im Vorfeld vorgelegt. Dazu lägen »etliche weitere Strafanzeigen« vor.


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