Während Querdenken in Memmingen versucht, dem Gegenprotest zu entgehen, hetzt die Gruppe online offen antisemitisch gegen Juden als Ritualmörder, »Feind« und Weltverschwörer.
Als sich Querdenken vergangene Woche zum allmontäglichen Stelldichein am Memminger Marktplatz traf, erwarteten sie wie in den vorherigen Wochen rund zwei Dutzend Antifaschist_innen, die gegen die Querdenken-Versammlung protestierten. Schon wenige Minuten später lösten sich die Querdenken-Anhänger_innen auf und die rund 50 Teilnehmenden verschwanden teils unter Unmutsbekundungen. Bereits im Vorfeld wurde diskutiert, wie mit dem unliebsamen Gegenprotest zu begegnen sei.
Querdenken weicht in Neue Welt aus
Wohin Querdenken entschwand, wusste zunächst auch die offenbar überraschte Polizei nicht, die die Versammlung als beendet betrachtete. Allerdings fand der Großteil der ursprünglichen Querdenken-Demo im Stadtpark Neue Welt wieder zusammen. Spontan zog der Gegenprotest Parolen skandierend nach und positionierte sich in direkter Nähe zu den selbsternannten Querdenker_innen, die sich zurückzogen und nach und nach verstreuten.
Schon seit einigen Wochen versucht Querdenken immer wieder, dem antifaschistischen Protest auszuweichen. Zunächst hoffte der Kemptener Ableger der Gruppe als Unterstützung in Memmingen der Kritik zu entgehen. Doch darauf nahm auch hier die Präsenz von Protest zu. Nun fasst Querdenken gleich mehrere Städte als Ziel ins Auge. Intern kursiert ein Aufruf, zusätzlich an verschiedenen Tagen im Juni ab 21 Uhr die Kundgebungen vor den Rathäusern dreier Orte zu unterstützen: Montags in Ottobeuren, Mittwochs in Kempten und Freitags in Markt Rettenbach.
Querdenken in Memmingen immer radikaler
Zumindest für Memmingen haben Antifaschist_innen bereits wieder angekündigt, gegen Querdenken zu protestieren. Denn die Gruppe verbreite rechte Propaganda, so einer der Vorwürfe. Tatsächlich werden die Töne auch bei Querdenken in Memmingen immer radikaler. Erst vor drei Wochen verbreitete eine Rednerin auf dem Marktplatz Nazi-Propaganda über einem angeblichen Plan zur Vernichtung des deutschen Volkes. Später sekundierte das eine Anhängerin im Chat der »Freiheitsboten Memmingen«, wo sich die Querdenken-Szene der Stadt austauscht, mittels eines Auszugs aus dem NSDAP-Propagandaorgan Völkischer Beobachter von 1941.
Unter Beifall bekannte sich schließlich eine Rednerin vor zwei Wochen auf dem Marktplatz zu rechtem Denken. In ihrer Rede behauptete sie: »Der Krieg hat längst begonnen!«. Wenige Tage später waren dann im Chat der selbsternannten »Freiheitsboten« mehrere massiv antisemitische Nachrichten zu lesen. Im NS-Jargon hieß es etwa, die Impfung gegen Corona sei ein moderner jüdischer Ritualmord. Zudem wurden Juden ausdrücklich als »Feind« und Weltverschwörer markiert. Eine Kritik oder Distanzierung zu diesen Aussagen war nicht zu erkennen.
Diesen antisemitischen Trupp framed die @AZ_Allgaeu als "#Corona-Kritiker", nachdem sie feinste NS-Propaganda per Redebeitrag verbreiteten. Heute die Legende vom jüdischen Ritualmord und ganz offene antisemitische Feindmarkierung: https://t.co/TVwRpdYg4M pic.twitter.com/tgDtZcabjc
— Sebastian Lipp (@SebastianLipp) June 3, 2021