NS-Relativierung und antisemitischer Verschwörungswahn

Auf der sogenannten Grundrechte-Demonstration verbreitet ein Redner am Samstag antisemitische Verschwörungsphantasien, bezeichnet den Titel »Nazi« als »Ritterschlag« und ruft zu Umarmungen zur Stärkung des Immunsystems auf. Andere Teilnehmer machen Werbung für rechte Kanäle oder relativieren die Verbrechen des Nationalsozialismus. Eine Intervention findet nicht statt.

Als »Verschwörungstheoretiker« stellte sich der erste Redner der sogenannten Grundrechte-Demo am 20. Juni gleich selbst vor. Denn der Begriff sei vor dem Mord an Kennedy »massiv geframed« worden. Er mag auch nicht glauben, dass das World-Trade-Center hätte von »einer kleinen Aludose« zum Einsturz gebracht werden könnten und zitiert Andreas Popp über Verschwörungstheorien. Die Maskenpflicht sieht er als Verletzung des Grundgesetzes, von dem er sich nicht sicher sei, ob dieses überhaupt noch existiere. Weil es sich allerdings mit den Menschenrechten größtenteils decke, sei die Maskenpflicht zudem eine Beschneidung der Menschenrechte.

Umarmen für das Immunsystem und antisemitischer Verschwörungswahn

»Um das Immunsystem zu stärken«, ruft der Unbekannte Redner dazu auf, sich zu umarmen. Als er die GEZ-»Zwangsgebühren« kritisiert, berichtet, dass er keinen Fernseher mehr habe, »kotzen« müsse und »närrisch« werde beim Radiohören, quittieren Zuhörer das mit Rufen: »Volksverarschung!«

»Dann möchte ich noch ein paar Worte zur der Parallelveranstaltung sagen«, so der Redner. Diese »ganze black lives matters-Geschichte, wenn man sich die genau anschaut und die Antifa und Sonstiges – ›follow the money‹. Und wenn du dem Geld dann folgst dann kommst du zur Open Society unter anderem und damit sind wir bei George Soros einem der infamen 130 bis 150 Leute, die meinen sie brauchen nicht gewählt zu werden. Sie regieren die Welt über Geld und das Geld benutzen sie nur als Werkzeug so wie sie einen Schraubenzieher oder Bohrmaschine benutzen würden. Das muss uns wirklich klar sein. Denen geht’s um Macht.«

Bezeichnung »Nazi« als »Ritterschlag«

Rechte und Verschwörungsideologische Kanäle werden auf der sogenannten Grundrechte-Demo am 20. Juni 2020 statt GEZ-Medien empfohlen.
Rechte und Verschwörungsideologische Kanäle werden auf der sogenannten Grundrechte-Demo am 20. Juni 2020 statt GEZ-Medien empfohlen.

Wie zur Bestätigung der Kritik des parallel stattfindenden Gegenprotests macht der Redner diesen so zum Bestandteil seines absurden antisemitischen Weltverschwörungsglaubens. Derartige Kritik allerdings lehnt er als »Totschlagargumente« ab und schließt mit den Worten: »Wenn zu mir jemand sagt du bist Nazi oder sonst irgendwas, dann sage ich mittlerweile danke für den Ritterschlag«.

»Widerlich« findet eine Rednerin der Gegendemo in einer spontanen Reaktion die antisemitische Rede und die Sache mit dem »Nazi-Ritterschlag«: Das mache »ganz klar, was da drüben für Leute stehen.« Es sei »einfach nur Blödsinn, dass sie seit Wochen immer wieder betonen, dass sie mit Nazis und Rechten nichts zu tun haben wollen«.

Nationalsozialismus relativiert


Die Brisanz der Rede ist offenbar auch den Verantwortlichen der Demonstration bewusst. Im Laufe der Rede sprach eine Ordnerin einen anwesenden Journalisten an und erklärte, der Redner sei zum ersten Mal dabei und man habe nicht gewusst, worüber er sprechen würde. Eine Distanzierung oder Intervention folgte allerdings nicht. Stattdessen erhielt der Redner erneut Applaus und anschließend ging es nahtlos weiter im Programm.

Auch auf Schildern zeigte sich an diesem Samstag der Charakter der Versammlung. So war etwa wieder Werbung für einschlägige extrem rechte und Verschwörungs-Youtuber zu sehen. Ein anderes Schild relativierte offenkundig erneut die Verbrechen des Nationalsozialismus: Es bestand aus einem roten Winkel, den die Nazis in den KZs zur Kennzeichnung von Regime-Gegner_innen benutzten.


Hilfe: Du hast selbst einen Übergriff erlebt?

Dann kannst du Hilfe bei B.U.D. Bayern bekommen. Das ist eine unabhängige Beratungsstelle für Betroffene von rechten, rassistischen und antisemitischen Übergriffen.

Zeug_innen können sich an B.U.D. Bayern wenden, dann wird der Vorfall registriert und Betroffenen geholfen – wenn sie das wollen.

Wenn du in Baden-Württemberg bist, ist dieLeuchtlinie für dich da.

Eltern, Angehörige und Freunde von Jugendlichen, die sich rechts orientieren, können Hilfe bei der Elternberatung bekommen.

Und wenn du selbst etwas gegen Rechts unternehmen willst, steht dir die Mobile Beratung zur Seite.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert