So unscheinbar kommt der einstige Anastasia-Landsitz von Robert Briechle in Unterthingau daher. Bis heute findet am Mutterhof der wöchentliche Obst- und Gemüsemarkt des Ortes statt.

Eine überfällige Debatte

Im Nachklang des Nachhaltigkeitssymposiums in Sulzbrunn debattiert die Allgäuer Ökoszene über den Ausschluss der radikalen Rechten. Das Treffen markiert möglicherweise einen längst überfälligen Paradigmenwechsel in der Szene. Ein Kommentar.

Am 14. und 15. September 2019 lud die Gemeinschaft Sulzbrunn unter dem Motto Zeamat goht’s zu einem Nachhaltigkeitssymposium in ihr Ökodorf bei Kempten ein. Ziel der Zusammenkunft war die Vernetzung der Allgäuer Ökoszene. Hierzu eingeladen war zunächst auch Robert Briechle, der seinem Mutterhof nach den Ideen der Anastasia-Bewegung als Familienlandsitz gestaltete. Nachdem die Veranstalter auf deren ideologischen Hintergrund aufmerksam gemacht wurden entschied sich die Gemeinschaft Sulzbrunn einen offiziellen Auftritt Briechles abzusagen.

Stattdessen lud die Gemeinschaft unseren Chefredakteur Sebastian Lipp zu einem Vortrag unter dem Titel Nachhaltigkeit geht nur ohne Rassismus. Beim nicht-öffentlichen Teil der Konferenz am 14. September war Robert Briechle dennoch anwesend.

Auf die Ausladung folgt der Ausschluss

Nach einem längeren Diskussionsprozess hat sich die Gemeinschaft Sulzbrunn nun entschieden Robert Briechle nicht länger an einem neuen Nachhaltigkeitsnetzwerk im Allgäu zu beteiligen.

Die Reaktionen auf diese Entscheidung innerhalb der Szene fallen in der Folge ebenso verschieden aus wie auch schon die Rückmeldungen zum Vortrag von Allgäu ⇏ rechtsaußen. Während einige ökologische Strukturen und Einzelpersonen den Ausschluss Briechles ausdrücklich begrüßt haben positionieren sich andere deutlich auf der Seite Briechles.

So kritisierte etwa auch der Redakteur des Öko-Anzeigeblattes Nachhaltiges Allgäu, Jochen Koller, die Entscheidung der Gemeinschaft Sulzbrunn und distanzierte sich von einer weiteren Mitarbeit in der neugegründeten Vernetzungsstruktur. Im Nachhaltigen Allgäu veröffentlichten Koller schon vor Jahren einen Artikel über eine Veranstaltung auf Briechles Hof in Unterthingau. Darin wird in Reichsbürgermanier die Existenz der BRD geleugnet. Die beiden Permakulturgärtner gelten als enge Vertraute. Koller weist das heute von sich: »ein enger Vertrauter bin ich schon lange nicht mehr.«

Mehr zu diesem Thema:  Neonazis auf dem Lande: Braune Flecken in der Allgäuer Ökoszene

Rechtsradikale Beeinflussung der Ökoszene

Die Ökoszene tut sich seit jeher schwer mit Konflikten. Eine Inklusion möglichst vieler Menschen in ökologische Strukturen ist vielen in der Szene ein aufrichtiges und zentrales Anliegen. Durch ihre große Offenheit macht sich die ökologische Bewegung aber auch im Allgäu anfällig für die Beeinflussung durch rechtsradikale Akteure.

Eben diese Einflussnahme ist erklärte Strategie der Anastasiabewegung. Diese versucht seit Jahren mit einigem Erfolg gezielt die ökologische Szene zu unterwandern und umweltbewegte Menschen für ihre zutiefst rassistische und antisemitische Ideologie zu gewinnen. Mit solchen menschenfeindlichen Ideologien ist eine Inklusion aller Menschen aber nicht mehr möglich. Wer rechtsradikalen Akteuren Zugang zu seinen Strukturen gewährt schließt damit eine große Anzahl anderer Menschen aus, die von eben jenen rechtsradikalen Akteuren ausgegrenzt werden.

Längst überfälliger Paradigmenwechsel

So unscheinbar kommt der einstige Anastasia-Landsitz von Robert Briechle in Unterthingau daher. Bis heute findet am Mutterhof der wöchentliche Obst- und Gemüsemarkt des Ortes statt.
So unscheinbar kommt der einstige Anastasia-Landsitz von Robert Briechle in Unterthingau daher. Bis heute findet am Mutterhof der wöchentliche Obst- und Gemüsemarkt des Ortes statt.

Die Entscheidung der Gemeinschaft Sulzbrunn über den Ausschluss Briechles und der Rückzug Kollers aus den neuen Vernetzungsstrukturen könnte vor diesem Hintergrund einen Wendepunkt in der ökologischen Szene im Allgäu markieren. Damit ist die Möglichkeit eröffnet, einen längst überfälligen Paradigmenwechsel hin zu einer klaren Abgrenzung gegenüber rechtsradikalen Kreisen zu vollziehen.

Dies setzt jedoch eine Weiterführung und Ausdehnung der Debatte voraus. Zu einer solchen Debatte wird gerne auch Allgäu ⇏ rechtsaußen weiterhin Informationen über rechtsradikale Strukturen und Strategien bereitstellen – auch mit einem neuen Vortragsangebot zum Thema: Neonazis auf dem Lande: Braune Flecken in der Allgäuer Ökoszene.


Hilfe: Du hast selbst einen Übergriff erlebt?

Dann kannst du Hilfe bei B.U.D. Bayern bekommen. Das ist eine unabhängige Beratungsstelle für Betroffene von rechten, rassistischen und antisemitischen Übergriffen.

Zeug_innen können sich an B.U.D. Bayern wenden, dann wird der Vorfall registriert und Betroffenen geholfen – wenn sie das wollen.

Wenn du in Baden-Württemberg bist, ist dieLeuchtlinie für dich da.

Eltern, Angehörige und Freunde von Jugendlichen, die sich rechts orientieren, können Hilfe bei der Elternberatung bekommen.

Und wenn du selbst etwas gegen Rechts unternehmen willst, steht dir die Mobile Beratung zur Seite.

2 Gedanken zu „Eine überfällige Debatte“

  1. Unterwanderungsversuche wie die im Beitrag beschriebenen gibt es vermutlich überall, weil so mancher meint, dass seine Weltanschauung die „richtige“ ist.

    «Ideologie ist Ordnung auf Kosten des Weiterdenkens»
    (Friedrich Dürrenmatt)

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