Peter Felser sieht die neue Medienstrategie der AfD als Kernaufgabe seiner Arbeit als stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Damit erprobe die AfD »eine neue Version von Propaganda in Deutschland«, kritisiert Politikwissenschaftler Johannes Hillje.
Die Bundestagsfraktion der AfD setzt ab April auf eine neue Medienstrategie. Neben der klassischen Pressestelle sollen rund 20 weitere Mitarbeiter für die Kommunikation zuständig sein, erfuhr der FOCUS aus Fraktionskreisen. Die Arbeitsweise des sogenannten Newsrooms werde der in journalistischen Redaktionen ähneln. Es solle sogar ein »TV-Studio« in den Fraktionsräumen der AfD im Berliner Jakob-Kaiser-Haus eingerichtet werden.
20 Mitarbeiter würden im Schichtbetrieb rund um die Uhr beschäftigt werden. Drei davon sollen sich auf Recherche spezialisieren und Themen ausfindig machen, die laut Alice Weidel »unter den Teppich gekehrt werden, und sie journalistisch sauber für die Öffentlichkeit aufbereiten«. »Solange die AfD von vielen Medien ignoriert oder mit Fake News gezielt schlechtgemacht wird, kann es nur diesen Weg geben«, sagte die Co-Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag.
Widerspruch zu einem demokratischen Medienverständnis
»Andere Parteien machen PR-Arbeit, um die Öffentlichkeit und die Journalisten zu informieren«, die AfD aber habe den Anspruch, die Journalisten zu korrigieren. Das erklärte der Politikwissenschaftler Johannes Hillje am Dienstag im Gespräch mit Allgäu ⇏ rechtsaußen. In einem im vergangenen Jahr unter dem Titel »Propaganda 4.0« erschienen Buch analysiert Hillje die Kommunikationsstrategie der rechtsaußen-Partei, die sich über die Unabhängigkeit der Medien erhebe. Das stehe im Widerspruch zu einem demokratischen Medienverständnis, nach dem die Medien die Politiker kontrollieren und nicht umgekehrt. Gleichzeitig gebe die AfD ihren Parteikanälen journalistischen Etiketten wie »AfD-TV« oder »Newsroom«, so der ehemalige ZDF-Mitarbeiter. »Nach dem Kaiserreich, der Nazi-Zeit und der DDR erprobt die AfD eine neue Version von Propaganda in Deutschland.«
Gemeinsam stelle man »eine Mannschaft von Spezialisten für alle relevanten Bereiche der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auf«, schrieb Peter Felser zum Vorhaben der Partei auf seiner Hompepage. Man wolle »neue Wege in der politischen Kommunikation« gehen und »professioneller Ansprechpartner« für all die Medien sein, die bereit seien, nach Auffassung der Partei »sachlich und fair« über die Arbeit der AfD-Bundestagsfraktion zu berichten.
Partei der Medienprofis
Der Kemptener Unternehmer ist einer von annähernd 100 Bundestagsabgeordneten der AfD. Er ließ sich in den 1990er Jahren bei der Bundeswehr zum Propaganda-Experten ausbilden, mit seinem w|k&f Filmverlag bewegt er sich seit rund 15 Jahren zwischen PR und rechter Propaganda. Felser bezeichnete das Projekt Newsroom als »eine Kernaufgabe meiner Arbeit als stellvertretender Fraktionsvorsitzender, in die ich viel Energie und Herzblut investiere.«
Felser sei nur einer von vielen Medienexperten in den Reihen der AfD, sagt Hillje. Die AfD insgesamt sei eine Partei der Medienprofis: »Innerhalb der Fraktion soll Jürgen Braun, ein früherer MDR-Journalist, für die neue PR-Maschinerie zuständig sein.« Es gäbe viele weiter AfD-Abgeordnete, die früher Journalisten gewesen seien. Umso bemerkenswerter findet Johannes Hillje »die Verachtung vieler AfD-Politiker für ihren eigenen früheren Berufsstand.« Die AfD werfe den Medien vor, die Wahrheit zu verzerren und nicht über Themen zu berichten, die für die derzeit Regierenden sowie den gesellschaftlichen Eliten insgesamt, unbequem seien. »Das ist in dieser Pauschalität völlig absurd«, sagt Hillje.
Das große Thema für die AfD bleibe die Asylpolitik, so Politikwissenschaftler Johannes Hillje. Es gehöre etwa zur Kommunikationsstrategie der Partei, lokale Einzelfälle aufzugreifen und verallgemeinernde Aussagen über »die Flüchtlinge« oder »den Staat« zu machen. Das sei undifferenziert und schüre Ressentiments.
So behauptet etwa Felsers Kreisverband der AfD im Allgäu in einer Pressemitteilung ein »Staatsversagen« und suggeriert, dass Kriminalität und Mordrate in Kempten durch Zuwanderung aus Afrika erheblich steigen würde. Deutschland brauche geschlossene Grenzen und ein Einwanderungsgesetz, dass sich am eigenen »Bedarf« und »Nutzen« orientiere. Mit solchen Aussagen wettert die Partei immer wieder gegen das Grundrecht auf Asyl. Eine »unregulierte Masseneinwanderung unqualifizierter Personen« solle, so die Allgäuer AfD, »endlich rigoros unterbunden werden«. Ansonsten werde »unsere Heimat, wie wir sie kennen und lieben« und mit ihr gleich ganz Europa untergehen, so die geschürte Angst. Der Kreisbote übernahm die Meldung fast unbearbeitet.
»Ein derartiges Konzept hat es in der politischen Kommunikation bislang nicht gegeben.«
Alice Weidel sieht angesichts der ab April forcierten neuen Medienstrategie ihrer Partei »eine innovative Zeitenwende in der Bundesrepublik«. Der AfD-Fraktionsvize Peter Felser meint: »Ein derartiges Konzept hat es in der politischen Kommunikation bislang nicht gegeben.« Tatsächlich habe keine andere Partei in Deutschland ein solches Verständnis über die eigene Öffentlichketisrbeit wie die AfD, so der heute als Politikberater tätige Johannes Hillje im Interview mit Allgäu ⇏ rechtsaußen. »Ich nenne die Kommunikationsstrategie der AfD ›Propagada 4.0‹«.
In den Sozialen Netzwerken werden derweil »passendere Namen für die #FakeNews-Schmiede „NewsRoom“ der #AfD gesucht«, twitterte Robert Fietzke, Vorsitzender des Flüchtlingsrats in Sachsen-Anhalt. Einer der Kandidaten mit dem Sich auch Johannes Hillje anfreunden können dürfte: »Alternativer Fakten Dienst«.
Jetzt im Handel: Propaganda 4.0. Politik machen #Rechtspopulisten mit Sprache im Diskurs – statt Sitzen im Parlament https://t.co/7uVxJi40oL pic.twitter.com/1wam9oMB8Y
— Johannes Hillje (@JHillje) August 29, 2017
2 Gedanken zu „AfD erprobt neue Form der Propaganda“