Im Allgäu und Oberschwaben gab es in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Anschlägen mit Brandsätzen und Sprengkörpern auf Unterkünfte für Geflüchtete. Aufgeklärt ist nur einer.
In den vergangenen Jahren war Deutschland Schauplatz unzähliger Anschläge auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte. Das Allgäu bildet hierbei keine Ausnahme. Doch auch bei der mangelnden Aufklärung dieser Taten kann die Region mithalten. Bislang konnte nur ein Anschlag in Bad Waldsee im Westallgäu aufgeklärt werden. Alle anderen Verfahren mussten ohne Ergebnis eingestellt werden. Das ergab eine Recherche von Allgäu ⇏ rechtsaußen.
Mit Raketen gegen Geflüchtete in Bad Waldsee
Zwei junge Neonazis stehen vor einer Asylsuchendenunterkunft in Bad Waldsee-Reute, einer der beiden raucht noch eine Zigarette. Als er fertig ist, zünden die beiden ihre mitgebrachten Raketen an und werfen sie durch das gekippte Fenster in das Zimmer des syrischen Kriegsflüchtlings Burhan A. und flüchten.
Kurz darauf rückt die Feuerwehr aus. Sch., der jüngere der beiden Neonazis, schickt via WhatsApp eine perfide Sprachnachricht: »Haha Feuerwehr«. St., sein Cousin und Mittäter, scheint bestens unterhalten und schreibt zurück: »Hahaha«. Es ist das vorläufige Ende von »Mission Rocket«, wie die beiden ihre Aktion am 10. Januar 2016 getauft hatten.
Innerhalb kürzester Zeit, haben sie sich die beiden per WhatsApp in Ihrem Hass gegenseitig hochgeschaukelt, bis sie schließlich zu neonazistischen Attentätern wurden. Dank einer Zeugin wurden sie geschnappt und verurteilt. Zeitweise ermittelte die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Stuttgart wegen des Anfangsverdachts des versuchten Erwerbs von Schusswaffen beziehungsweise des Besitzes von Schusswaffen gegen die Gruppe unter dem Namen Widerstand Schwaben. Der Verdacht erhärtete sich jedoch laut einem Behördensprecher nicht.
Brandanschläge kaum aufgeklärt
Der Brandanschlag von Bad Wurzach ist einer der wenigen Fälle, in denen Brandstiftungen und Sprengstoffanschläge auf Asylsuchendenunterkünfte in den letzten Jahren aufgeklärt werden konnten. In den allermeisten Fällen werden nie Täter ermittelt, zu Verurteilungen kommt es noch viel seltener. Das gilt auch für das Allgäu.
Im Zuständigketisbereich der Staatsanwaltschaft Kempten sind seit 2015 drei Attacken mit Brandsätzen oder Sprengstoffen auf Asylsuchendenunterkünfte bekannt geworden. Sie alle sind inzwischen eingestellt, da nie ein Täter ermittelt werden konnte. Das erklärte ein Behördensprecher am 8. Januar 2019 auf Anfrage von Allgäu ⇏ rechtsaußen.
Molotowcocktail auf Unterkunft in Marktoberdorf
Am 27. Dezember 2015 versuchten Unbekannte, den Neubau einer noch unbezogenen Gelüchtetenunterkunft in Marktoberdorf in Brand zu setzen. Gegen 22:30 bemerkte eine Anwohnerin Brandgeruch, konnte die Ursache aber nicht feststellen. Erst am nächsten Morgen wurden die Brandspuren entdeckt, nachdem das Feuer anscheinend von selbst erlosch. Die Brandspuren deuten auf die Verwendung eines Molotowcocktails hin, von der Polizei gefundene Glasscherben weisen ebenfalls in diese Richtung. Doch die Hinweise aus der Bevölkerung gingen laut den Ermittlern damals gegen Null.
Dennoch zeigten über 300 Menschen ihre Solidarität mit Geflüchteten. Sie folgten am 7. Januar 2016 dem Aufruf der Stadt sowie der muslimischen und christlichen Gemeinden Marktoberdorfs zu einem Sternmarsch für den Frieden.
Geplante Geflüchtetenunterkunft in Neugablonz niedergebrannt
Gegen 4:15 am Morgen des 7. Februar 2016 wurde die Feuerwehr alarmiert, dass der Dachstuhl eines Gebäudes im Kaufbeurer Stadtteil Neugablonz in Flammen stehe. Erst gegen 6 Uhr konnte das Feuer laut Polizei unter Kontrolle gebracht und gelöscht werden. Das Gebäude war zwar als Asylsuchendenunterkunft geplant, aber noch nicht bezogen. Auch die Kriminalpolizei ging von einem Brandanschlag aus, konnte aber die Täter nie ermitteln.
Noch am Abend versammelten sich einige Antifaschisten vor dem Gebäude, um auf den vermuteten rassistischen Hintergrund der Tat aufmerksam zu machen. Rund eine Woche später gingen dann nach Polizeiangaben in Neugablonz eintausend Menschen »für Solidarität mit Flüchtlingen, Toleranz und Frieden in unserer Stadt« auf die Straße.
Im Juli demonstrierten Antifaschisten in Neugablonz erneut ihre Solidarität, nachdem es zu zwei weiteren Bränden in Gebäuden kam, die von Geflüchteten bewohnt werden.
Gefährlicher Sprengsatz detoniert vor Unterkunft in Altusried
Ebenfalls unbekannt ist, wer die Silvesternacht vor zwei Jahren nutzte, um einen Sprengsatz in einem Standaschenbecher vor einer Geflüchtetenunterkunft in Altusried zu platzieren. Die Wucht der Detonation beschleunigte Steine, die sich im Aschenbecher befanden derart, dass sie als Geschosse herumflogen und den Eingangsbereich des Hauses beschädigten. Verletzt wurde allerdings keiner der etwa 50 Bewohner.
Zeugen beobachteten laut Polizeimeldung eine Stufenhecklimousine, die gegen 1:30 Uhr im Bereich des Tatortes vorfuhr und nach Aufnahme des Täters mit erhöhter Geschwindigkeit davon fuhr.
Die Polizei ermittelte wegen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion. Spurensicherungen ergaben, dass es sich bei dem Sprengkörper um einen sogenannten Böller der Marke Super Cobra 6 handelt, der in Deutschland nicht als Feuerwerk zugelassen ist.
Tatsächlich unterscheiden sich solche Fabrikate substantiell von Silvesterkrachern. Die Explosion zugelassener Pyrotechnik hätte nach Auskunft eines Sprengstoffexperten des Bundeskriminalamtes (BKA) nämlich eine »schiebende« und dadurch deutlich weniger gefährliche Wirkung als die Sprengladungen der verbotenen Böller. Diese würden nach Aussage des Sachverständigen detonieren wie militärische Kampfstoffe, die auf den menschlichen Körper eine »zertrümmernde« Wirkung mit erheblich größerer Verletzungsgefahr hätten.
Serie von Brandanschlägen in Tettnang
Eine ganze Serie von Brandstiftungen gegen Asylunterkünfte gab es im September und Oktober 2017 in Tettnang. Ein unbekannter Täter legte mehrfach vorsätzlich Feuer in der Narzissenstraße.
Das Polizeipräsidium Konstanz richtete eine siebenköpfige Ermittlungsgruppe bei der Kriminalpolizeidirektion in Friedrichshafen ein. Diese geht von fremdenfeindlichen Motiven des Täters aus, der offensichtlich die Fertigstellung und den Bezug der beiden Asylbewerberunterkünfte habe verhindern wollen. Aus diesem Grund hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart als hierfür zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Staatsschutzsachen für den württembergischen Landesteil die Leitung der Ermittlungen übernommen.
Trotz einer Belohnung von 10.000 Euro konnte auch im Westallgäu bis heute kein Täter ermittelt werden. Daher stellte die Staatsanwaltschaft bereits am 4. Juli 2018 mangels weiterer Ermittlungsansätze das Verfahren ein. Das erklärte Behördensprecher Heiner Römhild am 10. Januar 2019 gegenüber Allgäu ⇏ rechtsaußen auf Anfrage. Sollten sich in Zukunft neue Ermittlungsansätze ergeben, werde das Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen. Wahrscheinlich ist das nicht.