Mit einem Zeugenaufruf will die Polizei Neonazis fassen, die sich zu einem Brandanschlag bekannten, bei dem vor 31 Jahren ein Fünfjähriger ums Leben kam.
In der Nacht vom 16. auf den 17. November 1990 kam es im Wohnhaus in der Füssener Straße 24 in Kempten zu einem Brand, der bis heute nich geklärt ist. Nun bittet die Polizei Zeug*innen, die Beobachtungen in diesem Zusammenhang gemacht haben und bislang nicht von der Polizei kontaktiert wurden, sich zu melden. Das erklärten die Generalstaatsanwaltschaft München und das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West am Freitag in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Auch Allgäu rechtsaußen nimmt Hinweise auf die Tat entgegen – und sichert absolute Vertraulichkeit und umfangreichen Quellenschutz zu.
Vor 31 Jahren bekannten sich Neonazis zu einem Brandanschlag in #Kempten #Allgäu, bei dem ein Fünfjähriger ums Leben kam. Jetzt sucht die Polizei nach Zeug*innen.
Wer nicht zur Polizei will, kann sich auch vertraulich an mich oder @AllgaeuRechtsA wenden: https://t.co/A2mNgjVtvz
— Sebastian Lipp (@SebastianLipp) November 29, 2021
Bekennerschreiben im Fokus
Weiterhin stehe ein Bekennerschreiben einer Anti Kanacken Front Kempten im Fokus der Ermittlungen. Die Polizei fragt: »Wer kann Angaben zum Geschehen, dem Schreiben selbst, zur möglichen ›Anti-Kanaken-Front-Kempten‹ (ggf. auch ohne den Zusatz ›Kempten‹) oder etwaigen Mitgliedern der Gruppierung oder zum Verfasser des Schreibens machen?«
Bei dem Brand konnte sich ein »Großteil der Bewohner, allesamt türkische Staatsangehörige durch einen Sprung aus den Fenstern retten«, so die Polizei. Hierbei sowie durch die Rauchentwicklung hätten sie teilweise schwere Verletzungen davon getragen. Ebenso seien Angehörige der Feuerwehr während des Einsatzes verletzt. Ein fünfjähriger Junge konnte durch die Feuerwehr zwar noch aus dem Haus geborgen werden, verstarb jedoch kurz darauf im Krankenhaus.
Neonazis bekennen sich zum Mord
Kurz nach dem Brand verbreitete eine »Anti Kanaken Front Kempten« ein Bekennerschreiben, das Allgäu rechtsaußen vorliegt. Dort prahlen die Verfasser in Runenschrift und mit Hakenkreuz verziert: Der »von uns verübte, sehr erfolgreiche Anschlag auf das von Türken bewohnte Haus in der Füssener Straße war erst der Anfang.« Dann drohten sie: »Wir werden nicht ruhen, bis Kempten von allen undeutschen Kreaturen befreit ist.« Kempten solle die »erste Stadt sein«, die »nicht von Schwulen, Linken, Ausländern und anderen Schweinen geplagt« werde. Doch erst 30 Jahre später erfährt die Familie auf Grund von Recherchen von Allgäu rechtsaußen und Zeit online, dass ihr kleiner Junge vermutlich einem Brandanschlag von Neonazis zum Opfer gefallen ist.
Erst daraufhin wurden die Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft Kempten keine zwei Jahre nach der Tat im August 1992 ergebnislos eingestellt hatte, wieder aufgerollt. Im Gegensatz zu früher lautet der Tatvorwurf nicht mehr schwere Brandstiftung, sondern Mord. Das Verfahren hat die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München übernommen.
(Titelphoto: Symbolbild Brandstiftung, FWPIX, bestimmte Rechte vorbehalten)