Ist die deutsche Polizei auf dem rechten Weg? Das fragt Investigativjournalist Aiko Kempen in seinem gleichnamigen Buch und stellt fest: Rassisten und Neonazis können sich in der Polizei viel zu sicher fühlen – noch?
Polizeichats mit rechtsradikalen Inhalten, rassistische Misshandlungen von Verdächtigen, illegale Datenabfragen und Todesdrohungen gegen Politiker*innen, Anwält*innen und Aktivist*innen, Hetze gegen Muslime, ungeklärte Todesfälle in Arrestzellen, dazu der Vorwurf, bei der Strafverfolgung auf dem rechten Auge blind zu sein – sind die Gesetzeshüter*innen außer Kontrolle?
Gesetzeshüter*innen außer Kontrolle
Jedenfalls einige von ihnen sind es. Und bislang können sie sich in der deutschen Polizei verdammt sicher fühlen. Beides zeigt Aiko Kempen eindrücklich in seinem jüngst erschienenen Buch Auf dem rechten Weg? Rassisten und Neonazis in der Deutschen Polizei: »Denn die Geschichte der Polizei im wiedervereinigten Deutschland ist auch eine Geschichte rechtsextremer und rassistischer Skandale in den Reihen derer, die den Rechtsstaat schützen sollen«, so Kempen.
Doch beim Beleg der Feststellung, die deutsche Polizei und damit unser Rechtsstaat hätten ein massives Problem, belässt es Kempen längst nicht. Er fragt weiter, will Ursachen finden: Wie rechts ist unsere Polizei wirklich? Und warum fühlen sich Rechtsradikale und Rassisten in der Polizei so sicher? Aiko Kempen hat mit Menschen gesprochen, die Opfer rassistischer Polizeigewalt wurden. Er interviewte aktuelle und ehemalige Polizisten, Polizeiforscher und Ausbilder. Er besuchte Polizeischulen, war bei Einsatztrainings mit dabei und verfolgte Gerichtsprozesse gegen Polizisten.
Aiko Kempen ist Investigativjournalist. Er arbeitet für das ARD-Magazin Monitor, veröffentlichte Beiträge u.a. in Die Zeit, SZ-Magazin, taz, Vice Online, Tagesspiegel und leitete die Online-Redaktion des Leipziger Magazins kreuzer. Er recherchiert seit mehreren Jahren mit kritischem Blick zu den Themen Polizei und Rechtsextremismus. Dabei steht er zugleich in intensivem Kontakt zu Polizeibehörden, unterstützte die Polizei Sachsen bei einem Modellprojekt, um die Zusammenarbeit mit Medien zu verbessern, und gibt Workshops für angehende Journalisten zum Thema »unabhängig, fair und kritisch über Polizei berichten«. An der Akademie für Publizistik lehrt er investigative Recherche.
Kritische Bestandsaufnahme über den fragilen Zustand des Rechtsstaats
Herausgekommen ist eine kritische Bestandsaufnahme über den fragilen Zustand des demokratischen Rechtsstaats und dessen Hüter. Der Investigativjournalist macht deutlich, warum es ihm so wichtig ist, offen über rechte und rassistische Tendenzen in der Polizei zu sprechen: Weil er in ihnen das Potenzial sieht, unsere Gesellschaft in ihren Grundfesten zu erschüttern und unseren Rechtsstaat nachhaltig zu beschädigen.
Auch eine sogenannte »Cop Culture« und Korpsgeist begünstigen nach Kempen’s Analyse das Driften nach rechts außen. Doch die Politik verhindere einen klaren Blick auf das Problem. Keine andere Berufsgruppe werde so resolut gegen Kritik und Kontrollinstanzen verteidigt wie die Polizeibeamten. Umso wichtiger ist die Recherche, die Aiko Kempen nun im Europa-Verlag vorgelegt hat. Denn dort zeigt er auch erste Ansätze auf, die einen Strukturwandel innerhalb der Polizei anstoßen könnten – wenn Politik und Gesellschaft mehr Mut zur Kritik der Institution entwickeln und den (wenigen) kritischen Stimmen innerhalb des Apparats den Rücken stärken.
Aiko Kempen:
Auf dem rechten Weg?
Rassisten und Neonazis in der Deutschen Polizei
ca. 240 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Europa-Verlag, 1. Auflage, 2021
20,00 € (D) / 20,60 € (A)
ISBN: 978-3-95890-350-0