Im Juni sollen Bands mit rechtsradikalen Verbindungen auf einer Tattoo Convention auftreten. Ein Organisator war Nazi-Skinhead der ersten Stunde. Inzwischen habe er sich einer unpolitischen Szene zugewandt.
»Durch die Tattoo-Convention haben wir viele Menschen an einen Ort zusammengeführt und da wollten wir in diesem Rahmen einfach etwas Gutes tun und diese Chance nutzen«, erklärte Thorsten Krekeler zwei Wochen nach der ersten zusammen mit seiner Frau Michaela Krekeler organisierten Tattoo Convention in der Alsfelder Hessenhalle im Juni 2017 gegenüber Oberhessen Live. Insgesamt zwei Spendenboxen sollen die Veranstalter im letzten Jahr zum Sammeln von Spenden auf ihrem Tattoo Event verteilt haben. Die dadurch gesammelten 800 Euro übergab man öffentlichkeitswirksam der Kinderkrebshilfe Strahlemännchen e.V.
Rechtsradikale Skinheadkonzerte
Die Spendenübergabe war nicht das erste Mal, dass Krekeler öffentlich in Erscheinung tritt. Ende der 80er Jahre berichtete das Westfalen Blatt über ein völlig eskaliertes rechtsradikales Skinhead-Treffen in Nieheim im Landkreis Höxter (NRW):
»Angst und Schrecken in Nieheim! Etwa 700 Skinheads kamen am vergangenen Samstag aus allen Teilen der Bundesrepublik und aus dem benachbarten Ausland in die Weberstadt zu einem Konzert mit Skin-Gruppen in der Stadthalle. Sie verwüsteten die Halle, beschmierten die Wände mit neofaschistischen Parolen. Die Bürger wagten sich nicht mehr in die Nähe der Halle, verzichteten verängstigt auf ihren Spaziergang rund um die Lehmkuhle. Gastwirte schlossen vorsorglich ihre Lokale, Blumenkübel wurden in Sicherheit gebracht. Im Kreuzfeuer stand nach dem Spektakel zunächst die Nieheimer Verwaltung, die als Hausherr der Stadthalle der Vermietung zugestimmt hatte«.
»So ein Schlachtfeld habe ich noch nie gesehen‹, kommentierte damals der Vorsitzende des Nieheimer Ortsausschusses, Ulrich Pieper.
Organisiert wurde das Neonazi-Spektakel von einem jungen Skinhead namens Thorsten Krekeler – unter seinen Kameraden damals besser bekannt als »Cräcker«. Seinerzeit wohnte er noch in Höxter, gab eines der wichtigsten Szene-Fanzines der späten 80er Jahre namens Der Kampftrinker heraus und organisierte rechte Skinhead-Konzerte. Für das Konzert in Nieheim am 17. Juni 1989, das ursprünglich in einer Wirtschaft in Vinsbeck stattfinden sollte, konnte Krekeler zunächst Werwolf, Endstufe und Commando Pernod gewinnen. »Mal wieder ein rein deutsches Festival«, schrieb er im Kampftrinker. Nach einem ersten erfolglosen Versuch, den Sänger der britischen Kult-Band Skrewdriver zu kontaktieren sei alles ganz schnell gegangen: »Ich besorgte mir Ians Telefonnummer und rief an. 10 Minuten später war alles klar – Skrewdriver würden zum ersten Mal in Deutschland spielen.«
Die Band Skrewdriver gilt als Vorreiter der frühen Rechtsrock-Szene und war Zugpferd des rassistischen und neonazistischen Netzwerks Rock Against Communism. Bereits 1987 gründete der seit seinem Tod 1993 von Neonazis als Märtyer verehrte Sänger der Band Ian Stuart Donaldson das Blood and Honour-Netzwerk (B&H). Das Netzwerk organisierte ein Millionengeschäft mit der Verbreitung von neonazistischer Musik, verbreitete aber auch Terrorkonzepte über Zeitschriften, Booklets und Liedtexte und koppelte diese mit den Aufrufen, zur Tat zu schreiten. Denen, die den Kampf gegen System und »Volksfeinde« als »Untergrundgruppen« aufnehmen wollten, lieferte B&H laut NSU-Watch Anleitungen und bot ihnen Anlaufstellen.
Nach dem Konzert am 17. Juni 1989 in Nieheim beschreibt Thorsten Krekeler im Kampftrinker, wie er selbst das von ihm organisierte Event wahrgenommen hat:
»Also spielten die Bremer [Endstufe] als zweite Band des Abends. Auch diesen Auftritt habe ich größtenteils verpaßt. Nachdem ich das Video gesehen habe, kann ich nur sagen: „Leider“. Der Gig war nämlich wirklich super. Auch ein neues Lied wurde gespielt, was mir persönlich aber nicht so gut gefallen hat wie z.B. die alten Hits „Deutsche Rasse“ oder „Eine Rose für dich“.
Ja, und dann kamen sie, die Newcomer des Jahres – Commando Pernod. Wirklich toller Gig – 3 Minuten ein bisschen gespielt udn dann wieder 5 Minuten Sieg Heil, Juden raus und ähnliches Gegröhle. […]
Die Engländer [Skrewdriver] spielten fast alle ihre Hits und der Mob tobte wie ich es noch nie erlebt habe. Einer der Höhepunkte war wohl „Voice of Britain“, da Ian „Voice of Deutschland“ sang, sowie „When the boat comes in“, das die Menge schon die ganze Zeit lautstark gefordert hatte. Als Zugabe wurde dann noch einmal „White Power“ gespielt«
Im neonazistisch geprägten Teil der deutschen Skinheadszene war »Cräcker« damit endgültig ein wichtiger Mann geworden. Schließlich war er der erste, dem es gelang, die Kult-Band Skrewdriver für ein Konzert nach Deutschland zu holen. Die Band widmete Krekeler ihren Song Glory und vermerkten das auf der Rückseite der CD-Hülle.
Als fünfte Neonazi-Band des Abends bestiegen nach Krekelers Bericht im Kampftrinker spontan Kahlkopf die Bühne, die bereits im März 1989 für Thorsten Krekeler ein Konzert in Rolfzen im Raum Höxter spielten. Nach Berichten wurden auch hier »Sieg Heil«-Rufe angestimmt. Teilweise sollen die Skins vor der Konzerthalle mit Messern und Zaunlatten aufeinander los gegangen sein.
»Kraft durch Gewalt«
Die wichtige Rolle, die Gewalt für die Szene spielte, besang etwa die 1989 gegründete Szene-Band Märtyrer. So heißt im Anfang der 90er Jahre im auf einem Demotape der Band erschienen Titel Kraft durch Gewalt: »Die einzige Sprache die alle verstehen, das ist die Gewalt ihr werdet schon sehen. Aus Lüge wird Hass und Hass wird Gewalt, drum heißt unser Motto: Kraft durch Gewalt! […] Blut spritzt und du schlägst weiter drauf«.
Krekeler gab als Bassist der Märtyrer einem anderen Fanzine ein Interview. Dort beschwert er sich zwar mit Verweis auf die Ausschreitungen in Rolfzen und Niehagen, es gäbe zu viele Skinheads, »die durch irgendwelche Assi-Aktionen die Bewegung kaputt machen«. Um Gewalt im Allgemeinen scheint es ihm dabei aber nach weiteren Stücken auf der Demo von Märtyrer damals nicht zu gehen. Gegen vermeintliche politische Gegner ist sogar tödliche Gewalt demnach durchaus erwünscht. So sang die Band etwa im Titel Schweinepunk:
»Schweinepunk ich hasse dich […] rotz dir ins Gesicht. Du wirst gestiefelt und angesteckt, dann kannst du zeigen, was in dir steckt. Du Sau! […] Doch wenn wir euch kriegen, dann ist es aus. Dann machen wir euch den Garaus! […] Ihr seid der letzte Dreck den wir kennen. Und wenn wir dann kommen, könnt ihr nur noch rennen. Wir werden den Dreck von der Straße fegen. Für euren Tod [unverständlich]«
In Deutschland wir kommen, einem Märtyrer-Song, den »Cräcker« im Kampftrinker Nr. 04 als eines seiner zehn Lieblingslieder neben Titeln wie Voice of „Deutschland“ (Skrewdriver), White Power (Klansman) oder Deutsche Rasse (Endstufe) angibt, werden »Ausländer« in nationalsozialistischer Manier als Ungeziefer dargestellt, die es zu säubern gelte:
»Schau dich mal um in unserem Land, Kanacken nehmen wieder überhand. […] muss was passieren. Es werden Skinhead-Gruppen wieder marschieren. Deutschland, Deutschland wir kommen schon. Wir geben alles für die Nation. Deutschland, Deutschland wir kämpfen schon. Ein sauberes Deutschland ist unser Lohn. Sieg Möh! […] deutschen Rasse niemals untergehen. Drum nehmt die Fahne hoch, sie muss für immer wehen. Ausländer raus, wir fordern Volksfront erwacht! Die ganzen Kakerlaken werden niedergemacht. […] Zeigen euch jetzt was wir wollen, Köpfe müssen wieder rollen. Es ist ein harter Kampf doch wir werden siegen.«
Auch im Lied Stolz & Treue träumt die Band von einer Säuberung:
»Wir haben uns vereint, wir sind bereit, bereit zu kämpfen für eine bessere Zeit. Mit Uniform und kurzen Haaren laufen wir dann aus zu großen Scharen. Stolz und Treue Hand in Hand. Stolz und Treue für’s Vaterland. Stolz und Treue stärkt jeden Mann. Stolz und Treue für’s deutsche Land. Erfüllt von Hass sind die Gesichter, hier auf der Straße sind wir die eigenen Richter. Jetzt wird gesäubert und sie sind dran: Die Deutschland-Beschmutzer Mann für Mann.«
Die ersten beiden Alben von Märtyrer unterzog die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften dann im Jahre 1993 einer Prüfung und indizierte beide. Die Platte Stolz etwa reize »zu Gewalttätigkeiten an und vertritt immanent nationalsozialistisches Gedankengut«, begründete das Prüfungsgremium die Entscheidung. Später wurde die Prüfstelle auf ein zweites Demotape aufmerksam gemacht, das ebenfalls indiziert wurde.
Abwendung von rechtsradikaler Szene
Thorsten Krekeler, der die Alsfelder Tattoo Convention zusammen mit seiner Frau organisiert, räumt auf Nachfrage seine damalige Rolle in der neonazistischen Skinheadszene umfassend ein. Allerdings habe noch in den 90ern ein »Reflektionsprozess« eingesetzt, infolgedessen er sich zum rechtsradikalen Teil der Szene »zunehmend kritisch« verhalten und sich schließlich abgewandt habe. Bei Märtyrer habe er nur für kurze Zeit den Bass gespielt. Einem sich als unpolitisch verstehenden Teil dieser Subkultur fühle er sich bis heute zugewandt.
Auf der diesjährigen Tattoo Convention sollen Freitags dennoch einige Bands auf der Bühne stehen, die einer fragwürdigen bis offen rechtsradikalen Skinheadszene entstammen. Thorsten Krekeler sagt, er habe die Bands »vorgeschlagen« und betont, dass er für den Kontakt mit der Presse zuständig sei. Veranstalterin der Convention sei seine Frau.
Fragwürdige Bands
Unter dem Motto Night of the subcultures sollen die Birdmountain Bootbois, Martens Army, Extrem Unangenehm und Restrisiko auf der Bühne stehen. Ein ehemaliges Mitglied der letztgenannten Gruppe, die sich selbst dem Punkrock zuordnet, soll später zu den Berliner Rechtsrockern Kraft durch Froide ans Schlagzeug gewechselt haben. Die Bandmitglieder von Extrem Unangenehm sollen sich teils aus Rechtsrock-Bands wie Gegenschlag oder Rachezug rekrutieren, wie etwa das Lotta Magazin berichtet. Auch Martens Army gelten Szeneexperten als eindeutig rechte Band.
Die Birdmountain Bootbois stammen aus dem Umfeld der Alsfelder Skinheads. Deren Sänger zeigt wie einige seiner Fans stolz seine Tattoos mit bei Neonazis beliebten Runensymbolen, ihr Bassist posiert im Shirt der wohl dienstältesten deutschen Rechtsrock-Band Endstufe. Seit knapp unter einem Jahr firmiert die Truppe als Labelband von Subcultural Records.
Vorgeblich unpolitische Musikszene
Das Label gibt sich betont subkulturell und erweist sich als ein Versuch, eine vorgeblich unpolitische Musikszene mit eindeutigen Rechtsrock-Bands zusammenzubringen und nebenbei neue Absatzmärkte zu erschließen. Subcultural Records ist ein Nebenprojekt des klar neonazistisch ausgerichteten Musiklabel Oldschool Records. Der Betreiber beider Projekte gilt als Führungsfigur der rechtsradikalen Skinheadszene im Allgäu, die ebenfalls bereits Ende der 80er Jahre aktiv war. Damals bestanden gute Kontakte zwischen den Skinheadszenen der immerhin 600 Kilometer entfernten Regionen. Man traf sich zum Feiern und ging gemeinsam auf Konzerte. Berichte aus der Region erschienen in Krekelers Kampftrinker-Magazin. Einige der Allgäuer Akteure aus der Szene sind bis heute aktive Neonazis.
Christian Schmidt ist Geschäftsführer der Hessenhalle Alsfeld, wo das Event im Juni stattfinden soll. Schriftlich erklärte Schmidt auf Nachfrage, er könne »versichern, bei uns laufen alle Veranstaltungen politisch korrekt ab. Wir sind hier Multi-Kulti und darauf legen wir besonders Wert.« Telefonisch konkretisierte er, man lasse die Bands von der Polizei »durchleuchten«. Politische Parolen und rechtsradikale Texte dürften in der Hessenhalle nicht vorgetragen werden. Bislang sehe man aber keine Veranlassung, auf den Veranstalter einzuwirken.
Krekeler selbst gibt an, weder Oldschool Records noch Subcultural Records zu kennen, er werde dem aber nachgehen. Wenig später meldet er sich zurück: »Sie haben Recht, das Label gehört eindeutig zu diesem Neonazi.« Er werde die Birdmountain Bootbois damit konfrontieren und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen müssen.
Suchbild. Was fehlt?
Nach unserer heutigen Berichterstattung wird eine der Bands aus dem Line Up gekickt.
Mehr dazu morgen.
https://t.co/dAXekHMj0G pic.twitter.com/EhRKjrhgRK— Allgäu⇏rechtsaußen (@AllgaeuRechtsA) January 25, 2018
(Titelbild: Flugblatt zur Veranstaltung; Screenshot: Facebook)
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