Kreisrat Peter Rist fordert in einem Antrag den Stopp aller Corona-Schutzmaßnahmen. Seine Argumente bezieht der Ex-Bürgermeister aus der Querdenken-Szene.
»Mit meinem Antrag stelle ich ebenso klar, dass ich mich vom aktuell praktizierten Verhalten in voller Gänze distanziere und nicht mitverantwortlich bin für das grauenvolle Leid, das auch unser Landkreis in blinder Hörigkeit und übertriebenem Eifer über seine Bevölkerung bringt.« Das schreibt der Oberallgäuer Kreisrat Peter Rist am Montag in einem schriftlichen Antrag an das Landratsamt Oberallgäu, Das »grauenvolle Leid« hätte nicht die Pandemie, sondern die Maßnahmen dagegen ausgelöst, die er im Kreis mit dem Antrag sämtlich kippen will.
Rist hält »Husten- und Nießetikette und das Zuhausebleiben von Kranken« für ausreichende Pandemiebekämpfung
»Die aktuelle Datenlage« bezüglich vermeintlicher Impfschäden erfordere »den sofortigen Stopp der Anwendung dieser unnötigen und gesundheitsschädigenden gentechnischen Immunisierungsversuche«. Die Impfungen bezeichnet der Schlagersänger in seinem unserer Redaktion vorliegenden Schreiben als »experimentell«, deren Vergabe »durch nichts zu rechtfertigen« sei. Dabei schreibt er von »sogenannten« Impfungen und setzt letztere in Anführungszeichen.
Auch sämtliche sonstige Maßnahmen zum Infektionsschutz fordert Rist im Oberallgäu zu beenden. Er nennt ausdrücklich »Lockdowns, Schulschließungen, Maskenpflicht im öffentlichen Raum, Isolation, Quarantäne, Kontaktverfolgung, Abstandsregeln«. Tests sollten nach seinem Willen nurmehr bei »wirklich Kranken« durchgeführt werden. Die Maßnahmen könnten Todesfälle und schwere Verläufe nicht verhindern, meint Rist. »Stattdessen sollte ein Appell an Menschenverstand und Vernunft zur Einhaltung bewährter Hygieneregeln wie Husten- und Nießetikette und das Zuhausebleiben von Kranken ausreichen.«
Rist nutzt Querdenker als Quelle für haltlose Behauptungen
Rist behauptet weiter, es läge weder für die Wirksamkeit der Maßnahmen noch der Impfung Evidenz vor. Dagegen seien Impfungen und Maßnahmen brandgefährlich und mitunter tödlich. Freilich ohne entsprechende Studien zu benennen oder eine Risikoabwägung zu treffen. Statt seinerseits Evidenz zu liefern, verweist Rist auf mehrere vermeintlich medizinische Websites aus dem Querdenken-Milieu. Besonders prominent platziert er in seinem Antrag Verweise auf den Verein Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e. V. (MWGFD).
Der Verein kommt wissenschaftlich daher, der Internetauftritt wirkt professionell. Tatsächlich scheinen einige der Mitglieder und Vorstände einen akademischen oder medizinischen Hintergrund zu haben. Eine forschende Tätigkeit scheint allerdings die absolute Ausnahme. Neben einer Lehrerin, einer Psychologin, einer Heilpraktikerin, einer Arzthelferin, einer Krankenschwester, einer Hebamme und einem Frauenarzt sind darunter aber einige einschlägig bekannte Namen aus der Querdenken-Szene. So etwa der einstige Szene-Star Bodo Schiffmann, der emeritierte Mikrobiologie-Professor Sucharit Bhakdi sowie der ehemalige Amtsarzt Wolfgang Wodarg, die alle in der Vergangenheit mit kruden – und vielfach widerlegten – Ansichten und Verschwörungsmythen zum Corona-Virus aufgefallen sind.
Unter den rund 30 Mitgliedern, die die Website des MWGFD e.V. exemplarisch aufführt, findet sich etwa auch Heinrich Fiechtner. Der ehemalige AfD-Politiker betätigte sich bereits als Scharfmacher, als er für die Kemptener AfD in einem Redebeitrag mit Rassismus, Antiparlamentarismus und Widerstandsrhetorik bei Querdenken punktete. Bhakdi fiel mit massiv antisemitischen Äußerungen auf. Auf seiner Website vermittelte der MWGFD e.V. Kontakt zu Ärzt*innen, die falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausstellten. An mehreren Stellen verweist die Page zudem auf Medien, die Querdenken nahestehen. Die Thesen des Vereins zum Corona-Virus, auf die Peter Rist sich beruft, sind entsprechend abwegig und vielfach längst widerlegt.
Rist will Politiker*innen »zur Rechenschaft ziehen«
Auch auf der Startseite von Peter Rist’s eigener Website gibt er entsprechende Behauptungen von sich und bezeichnet die Corona-Politik als »ein riesengroßes Verbrechen!« Deshalb fordere er, »dass die Verbrecher zur Rechenschaft gezogen werden« und verweist dazu auf mehrere rechte Medien. Eines davon macht offenbar auch mit falschen Informationen Stimmung, das andere gilt als islamfeindlich und AfD-nah.
In seinem Antragsschreiben und seiner Homepage wirft Peter Rist der Politik und insbesondere den Medien vor, durch die Verbreitung falscher Tatsachen bewusst »Angst und Panik« vor dem Corona-Virus zu schüren. Tatsächlich tut er genau das selbst: Er schürt mittels dubioser Quellen Angst und Panik vor der Impfung und den Widerstand gegen die Maßnahmen. Entsprechend wird insbesondere die hiesige Querdenken-Szene reagieren, hat sie doch nun mit dem parteilosen Ex-Bürgermeister im Kreistag einen politischen Fürsprecher außerhalb der AfD.