Laut eigener »Weltnetzseite« wähnte sich der Bundesstaat Bayern als Teil des Deutschen Reiches (Screenshot)

Pfrontener Reichsbürger wegen Urkundenfälschung verurteilt

Ein Pfrontener Reichsbürger wurde wegen eines gefälschten Ausweisdokuments verurteilt. Er wollte das Deutsche Reich wieder errichten.

»Ich wollte dazu beitragen, die Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches wieder zu erreichen«, erklärte ein 66-jähriger Pfrontener nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung als Angeklagter vor dem Amtsgericht Ebersberg. Denn das bestehe seiner Auffassung nach fort, sei lediglich handlungsunfähig. Dagegen sei die Bundesrepublik kein Staat »sondern bloß eine Verwaltungsorganisation der Siegermächte«, zitiert ihn die Zeitung.

Der Allgäuer Rentner hatte laut Süddeutscher Anfang 2016 beim sogenannten Bundesstaat Bayern in Pliening bei München einen »Staatsangehörigkeitsausweis« gekauft, der einem echten Dokument zum verwechseln ähnlich sähe – und dafür einen Strafbefehl wegen Urkundenfälschung erhalten. Weil er dagegen Einspruch einlegte, landete er vor dem Amtsgericht in Ebersberg, ruderte dort aber zurück und akzeptierte die Strafe von 60 Tagessätzen zu je 33 Euro.

Das Verfahren geht auf eine Razzia bei bayerischen Reichsbürgern im Februar 2017 zurück. Seinerzeit durchsuchten rund 300 Polizisten die Wohn- und Geschäftsräume von Anhängern eines Bundesstaat Bayern. Sieben der Reichsbürger, gegen die die Ermittlungsgruppe Wappen der Erdinger Kriminalpolizei vorging, hätten als Vertreter dieses selbsternannten Staates banden- und gewerbsmäßig Urkundenfälschung begangen. Bei den restlichen Zielpersonen handele es sich um Sympathisanten und Erwerber der »Urkunden« ihres Fantasiestaates, darunter der nun rechtskräftig verurteilte Pfrontener.

Ziel der Gruppierung sei die »Schaffung eines ‚Deutschen Reichs‘, wobei die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt wird«, hieß es in einer Meldung der Polizei, die den Reichsbürgern mit der Razzia die Existenz des echten Staates handfest demonstrierte.

Erpressung, Nötigung und Amtsanmaßung

Das »Betreten für Unbefugte, insbesondere vom Personal der BRD« will der selbsternannte Bundesstaat Bayern auf seinem Staatsgebiet gerne verbieten. EIn entsprechendes Dokument wurde bei der Razzia an mehreren Objekten aufgefunden. (Bild: Polizei Bayern)
Das »Betreten für Unbefugte, insbesondere vom Personal der BRD« will der selbsternannte Bundesstaat Bayern auf seinem Staatsgebiet gerne verbieten. EIn entsprechendes Dokument wurde bei der Razzia an mehreren Objekten aufgefunden. (Bild: Polizei Bayern)

Die Beschuldigten beschäftigten, so die Polizei, bereits seit geraumer Zeit Ämter und öffentliche Stellen etwa mit Widersprüchen zu Pfändungs- oder Bußgeldbescheiden sowie Schreiben, in denen sie ihrer kruden Rechtsansicht Ausdruck verleihen und selbst Forderungen gegen die betroffenen Behörden erheben. Der Inhalt entspräche vielfach dem Tatbestand der versuchten Erpressung, versuchten Nötigung und Amtsanmaßung. Die bisherigen Erkenntnisse der Ermittler hätten zudem Anhaltspunkte für den Aufbau einer »Finanzverwaltung« und eines »Gewerbeamtes« ergeben. Es wurden »Staatsangehörigkeitsausweise«, »Führerscheine«, »Gewerbescheine« und »Amtliche Lichtbildausweise« ausgestellt und gegen Gebühr vertrieben. Mehrere tausend Euro Bargeld wurden aufgefunden, die mutmaßlich aus Gebühren und »Steuereinnahmen« stammten, darunter wohl auch Geld des Pfronteners.

Spinnert…

Auf der »offiziellen Weltnetzseite des Bundesstaats Bayern«, der sich zum Deutschen Reich zählt, ließ sich die krude, völkische und geschichtsrevisionistische Auffassung der extrem rechten Gruppierung im Original nachlesen:

»Wir, die indigenen deutschen Völker, sind eigenständige Menschengruppen gemäß § 6 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) und legitimieren uns aus den germanischen Völkern, die autochthonen Angehörigen der indigenen Völker des Staatenbundes Deutsches Reich, im Verfassungsstand 1871 und im Rechtsstand zwei Tage vor Ausbruch des 1. Weltkrieges (2. Deutsches Reich). Wir sind die Ureinwohner der angestammten (ab 1945 besetzten, später mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verwalteten) Territorien/Gebiete und wir erklären aus Gründen VN […] keinen Verzicht auf unsere indigenen, ureinwohnerrechtlichen, humanitären Rechte und wir sind nicht dem Artikel 116 GG zuzuordnen. Die Verwaltung BRD/Deutschland befindet sich auf dem angestammten ureinwohnerrechtlichen Boden der Gebiete der souveränen Staaten des 2. Deutschen Reichs, welche […] die Gebiets- und Territorialitätshoheit für ihre Völker haben. Wir, die Volkssouveräne der indigenen deutschen Völker, erklären hiermit ausdrücklich keinen Verzicht auf unsere Bodenrechte! […] Als Reisedokument bekommen wir den Heimatschein ausgestellt. […] Wir, die Volkssouveräne der indigenen deutschen Völker, übernehmen die Funktion des persistent objector«

… aber gefährlich

Eine der im Rahmen der Razzia gegen den Bundesstaat Bayern aufgefundenen Wafifen (Bild: Polizei Bayern)
Eine der im Rahmen der Razzia gegen den Bundesstaat Bayern aufgefundenen Wafifen (Bild: Polizei Bayern)

Klingt spinnert – und ist es sicher auch. Aber ungefährlich sind die sogenannten Reichsbürger nicht. Vor einer Verharmlosung warnt etwa die Amadeu Antonio Stiftung. Viel zu lange sei das »reichsideologische Milieu« verharmlost worden.

Seit ein Reichsbürger vor zwei Jahren in Georgensgmünd das Feuer auf Polizisten eröffnete, drei davon verletzte und einen weiteren tötete, schauen auch die Behörden genauer hin. Mit steigender Tendenz identifizierten die Sicherheitsbehörden zuletzt 4200 Reichsbürger allein in Bayern. Nach Auskunft des bayerischen Innenministeriums mussten in den vergangenen zwei Jahren bei 288 Reichsbürgern im Freistaat insgesamt 374 Waffenerlaubnisse widerrufen oder an die Waffenbehörden zurückgegeben und 686 Waffen aus dem Verkehr gezogen werden. Niemand weiß, auf wie viele unregistrierte Waffen die Reichsbürger möglicherweise Zugriff haben.

Entsprechend musste die Polizei auch bei dem Einsatz gegen den Bundesstaat Bayern davon ausgehen, »dass Anhänger ihre Ideologie auch mit Nachdruck unter Gewaltanwendung verteidigen.« Deshalb habe man Spezialeiniheiten wie das SEK hinzugezogen. »Außerdem hat die Polizei einem ‚Reichsbürger‘ seine legal besessenen Waffen abgenommen, da ihm die Waffenerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit entzogen wurde«, erklärte der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann nach der Razzia. Zusätzlich wurden dabei bei anderen Betroffenen einige Schreckschusswaffen, eine zur scharfen Schusswaffe umgebaute Schreckschusswaffe, Munition sowie ein Schlagstock sichergestellt. In Pfronten fanden die Ermittler keine Waffen.

 


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