Im Sommer bei der Bundeswehr getürmt, heute vor seiner Gerichtsverhandlung gedrückt. Stattdessen tut der Fahnenflüchtige, was Reichsbürger so gerne tun: Er setzt ein Schreiben auf.
Eigentlich sollte das Verfahren längst erledigt sein. Weil ein 37-jähriger Zeitsoldat im August 2017 nicht zum Dienstbeginn in Füssen erschien, wurde er von Feldjägern aufgegriffen und an den Dienstort zurück gebracht. Er hatte Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt. Dennoch erhielt der gebürtige Würzburger einen ausdrücklichen Befehl seines Dienstvorgesetzten, den Dienst wieder aufzunehmen. Dem kam er nicht nach.
Dafür setzte das Gericht im Januar eine Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung nach dem Wehrstrafgesetz wegen Fahnenflucht fest. Doch der Deserteur akzeptierte den Strafbefehl nicht und legte Einspruch ein.
Gericht verschärft Sicherheitsvorkehrungen
Also wurde eine Gerichtsverhandlung angesetzt. Ganze zweieinhalb Stunden plante Amtsrichterin Ritter dafür ein – wohl auch weil sich abzeichnete, dass es das Gericht mit einem Anhänger der Reichsbürgerszene zu tun hat. Per Verfügung verschärfte die Richterin die Sicherheitsvorkehrungen für die Sitzung am Montag.
Wer hinein wollte, musste sich mehrfach durchsuchen lassen und beinahe alles abgeben. Selbst das Mitbringen eigener Stifte war verboten, nur vom Gericht ausgehändigte waren zulässig. Eine Standardmaßnahme in Kaufbeuren, seit Reichsbürger 2016 eine Verhandlung gegen eine Szeneanhängerin sprengten und die Gerichtsakte stahlen. Später tauchten Aufnahmen der tumultartigen Szenen im Internet auf.
»Reichsminister« und »Scheingericht«
Doch dieses Mal erschienen keine Reichsbürger. Das Gericht, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, zwei Pressevertreter und der als Zeuge geladene Offizier warteten vergeblich auf den Deserteur.
Davon war auszugehen. Der Unterfranke richtete sich bereits im Februar mit einem kruden Schreiben an das Gericht, nachdem er die Ladung zur heutigen Hauptverhandlung erhielt. Der Deserteur schrieb etwas von einem »Reichsminister« und kündigte an, dass er nicht vor einem »Scheingericht« erscheinen werde. Das bestätigte eine Gerichtssprecherin auf Anfrage.
»Da muss ein Gericht durch, auch wenn es überflüssig ist«
Dennoch musste die Gerichtsverhandlung stattfinden. »Da muss ein Gericht durch, auch wenn es überflüssig ist«, erklärt Rechtsanwalt Nils Spörkel gegenüber Allgäu ⇏ rechtsaußen. Aber die Gerichtskosten würden jetzt natürlich steigen. Damit dürfte der Unterfranke sich keinen Gefallen getan haben.
Nach etwa 15 Minuten entschied Richterin Ritter, lange genug auf den inzwischen im Landkreis Deggendorf wohnhaften Mann gewartet zu haben. Sie entließ den Zeugen und erklärte den Einspruch gegen den Strafbefehl für verworfen, es bleibt also bei einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von drei Monaten.
(Titelbild: »Hinter dem Reich steckt der Rechtsextremismus«, schematische Darstellung reichsideologischer Fragmente, aus: Broschüre »Wir sind wieder da« der Amadeu Antonio Stiftung, Az: 8 Cs 110 Js 16740/17 (2))
Ein Gedanke zu „Fahnenflüchtiger Reichsbürger“