Das Verfahren wegen vielfacher Verbreitung von Neonazi-Propaganda durch Oldschool Records wird im April vor dem Landgericht Memmingen neu verhandelt. Vor über einem Jahr hatte der Angeklagte trotz des äußerst milden Urteils Berufung eingelegt – und seither sein braunes Geschäft weiter betrieben.
In dem Strafverfahren gegen Benjamin Einsiedler wegen des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen und Volksverhetzung hat das Landgericht Memmingen nun vorerst vier Verhandlungstermine ab dem 17. April festgelegt. Dann werden beinahe anderthalb Jahre vergangen sein, seit sich der Betreiber des Neonaziunternehmens Oldschool Records für den Verkauf von Tonträgern mit gewaltverherrlichendem und neofaschistischem Inhalt vor dem Amtsgericht Memmingen verantworten musste.
Einsiedler, der als Führungsfigur der extrem rechten Skinheadkameradschaft Voice of Anger gilt, wurde am 15. Dezember 2016 zur Zahlung von 4.800 Euro Geldstrafe (120 Tagessätze) und einem Bußgeld wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt. 1.600 Euro seines durch die Straftaten erzielten Gewinns sollten nach dem Willen des Amtsrichters eingezogen werden. Durch die Berufung konnte der rechte Szeneunternehmer die Strafe vorerst abwenden, sein offenbar lukratives Propagandageschäft wurde nicht beeinträchtigt.
900 Straftaten und 88 Anklagepunkte
2014 durchsuchte die Polizei Privaträume und Produktionsstätten des Betreibers von Oldschool Records. Anhand der umfangreichen Sicherstellungen ermittelte die Polizei über 900 Einzelstraftaten etwa durch Verkäufe von Musik, die teils zum Mord an Juden, Kommunisten oder Schwulen aufruft oder bei der die Verpackungen mit verbotenen Kennzeichen von Naziorganisationen »geschmückt« waren.
Schließlich wurde in genau 88 Punkten wegen des Verkaufs von Tonträgern und in einem Fall wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz Anklage erhoben. Doch zur Verurteilung kam es neben dem waffenrechtlichen Verstoß in nur sieben der 88 Fälle. Einige Anklagepunkte wurden kurzerhand eingestellt, etwa weil schon die Polizei die Texte nicht verstanden habe. Einiges sei zwar objektiv strafbar, es fehle laut Gericht aber am Vorsatz.
Bereits im letzten Jahr fasste Allgäu ⇏ rechtsaußen zusammen, warum so viele Anklagepunkte nicht verurteilt wurden und wie der vom Rechtsrocker zum Szeneverteidiger avancierte Rechtsanwalt des Angeklagten während der mehrtägigen Verhandlung vor dem Amtsgericht Memmingen die Staatsanwaltschaft in die Defensive drängte.
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