Bürgerliches Image für rechtsradikale »Bürgerinitiative Westendorf«?

Während sich in Blaichach Protest gegen eine neue Geflüchtetenunterkunft formiert, verhinderte eine asylfeindliche Initiative in Westendorf bereits am Jahresanfang den Bau einer Notunterkunft. Scheinabgrenzungen und unkritische mediale Berichterstattung verhalfen der Gruppierung zu einem bürgerlichen Image. Konträr dazu verbreitet ein Initiator jedoch Neonazi-Inhalte und nicht nur mit der AfD wird sympathisiert.

Wie eine Blaupause für die Blaichacher Anti-Asyl-Gruppierung wirkt die »Bürgerinitiative Westendorf« (BI), die sich gemeinsam mit Gemeinderat und beiden Bürgermeistern 15 Monate lang gegen den Bau einer Notunterkunft stellte. Nach Plänen des Landkreis Ostallgäu hätte eine Wohncontainer-Anlage für bis zu 50 Menschen im Ort erbaut werden sollen. Nach einer Petition, einem Brandbrief, fast wöchentlichen Demonstrationen und letztlich einer Klage des Gemeinderates vor dem Verwaltungsgericht Augsburg, gab das Landratsamt nach. Ende Januar 2025 einigte es sich auf einen »Kompromiss« mit dem Gemeinderat: In der Gemeinde sollen statt 50 nur 29 Personen in gemeindeeigenen Wohnungen untergebracht werden, der Bau einer Container-Anlage wurde gestrichen. Das berichtete Allgäu TV am 30. Januar 2025 und zieht als Fazit: »Somit scheinen irgendwie alle Seiten gewonnen zu haben«. Was Allgäu TV als Gewinn für »alle Seiten« verstehen will, ist im Wesentlichen nur ein Erfolg für die im bürgerlichen Gewand daherkommende extreme Rechte.

»Überparteilich« und gegen »jede Form von Extremismus«?

Widerstand gegen Geflüchtete »bis die AFD am Ruder ist«: In den Kommentarspalten der BI bewerben auch deren Follower*innen die Rechtsaußenpartei. (Screenshot Facebook)

Dass seine Vereinigung »überparteilich« sei, betonte der Sprecher der BI Maurice H. auf einer Demonstration, wie die AZ berichtete. Sie seien »gegen jede Form von Extremismus« und die BI bestehe aus »rechtschaffenen Menschen« heißt es weiter. Diese Zeilen stehen exemplarisch für die taktische Selbstdarstellung der BI, wie sie medial vielfach repliziert wurde. So titelte die AZ am 30. Januar 2025 etwa: »“Dritter Weg“ provoziert in Westendorf: Bürgerinitiative zieht klare Grenze zu Neonazis«. Der Darstellung des Berichts zufolge hätte die rechtsradikale Kleinstpartei Der Dritte Weg versucht, den »Protest zu instrumentalisieren«. Maurice H. erklärte gegenüber der AZ: Es sei »entsetzlich«, wie sie »hier vor den Karren von Rechtsextremisten gespannt werden sollten.« Sie würden »menschenverachtende und volksverhetzende Parolen entschieden ab[lehnen]«.

Hinterfragt hat diese Selbstdarstellung offenbar keine*r, denn ein Blick auf die öffentlich einsehbaren Social Media Aktivitäten der Gruppierung hätte – wie so oft – genügt, um die tatsächlichen Beweggründe der BI zu enttarnen: Rassismus, Antisemitismus und der dazugehörige Verschwörungsglaube.

Initiator teilt Neonazi-Inhalte

Gleich zu Beginn der Coronapandemie verbreitet Ricky A. rassistisches Verschwörungsgeraune im Querdenken-Duktus: Eine »Eine Welt Diktatur« solle eine »Multikulturelle Vermischung … mit niedrigem IQ« erzielen. (Screenshot Facebook)

So teilte Ricky A., einer der fünf Initiatoren, schon 2016 eine Rede des Antisemiten und Holocaustleugners Benjamin Freedman, die nach seinem Verständnis »zum Grundwissen [gehöre] um unsere Geschichte« verstehen zu können: Freedman gab »den Juden« die Schuld an beiden Weltkriegen. Einen Film des ebenfalls geschichtsrevisionistischen Publizisten James Bacque teilte er im Mai 2017 und spielte auf den »Morgenthau-Plan« an, der schon von den Nationalsozialisten in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs zum antisemitischen Verschwörungsmythos entwickelt als Kriegspropaganda genutzt wurde und in Neonazi-Ideologien bis heute fortexistiert. Im gleichen Post fragte er sarkastisch: »Wieviel Geld bekam der engl. Premier Minister Kirchenhügel [Winston Churchill] von den Zionisten um mit Deutschland den Krieg zu beginnen?« Und suggerierte damit aus eigener Feder eine jüdische Schuld am Zweiten Weltkrieg. Auch mit der mehrfach verurteilten Holocaustleugnerin und Neonazi-Ikone Ursula Haverbeck solidarisierte er sich. Obwohl er eigentlich Nicht-Wähler (gewesen?) sei, plädierte er zur Europawahl 2019 Haverbeck die Stimme zu geben, die von der extrem rechten Randpartei Die Rechte als Spitzenkandidatin aufgestellt wurde. Statt zur Wahl anzutreten, musste die Antisemitin allerdings eine Haftstrafe wegen Volksverhetzung absitzen.

Im März 2020 fabulierte A. die Verschwörungserzählung der vermeintlichen »Coronalüge«: Die Pandemie sei ein »Schwindel«, um eine »Neue Welt Ordnung« einzuführen. Teil dieser sei eine »Eine Welt Diktatur« unter der Führung einer »totalitäre[n] Elite«. Seiner Phantasie nach liege dieser vermeintlichen Diktatur offenbar eine »multikulturelle[] Vermischung« zugrunde, die »eine Monokultur mit niedrigen IQ« hervorbringe. Das ist tiefster Rassismus. Dahinter steckt unter anderem die antisemitisch-rassistische Verschwörungserzählung des »großen Austauschs«, auf die sich auch Unterzeichnende der Petition gegen die Geflüchtetenunterkunft teils bezogen. Auch in Querdenken-Kreisen kursiert diese.

Nähe zu rechten Parteien

Die AfD präsentiert sich auf Facebook als „einzige Partei“, die das asylfeindliche Anliegen unterstütze – der BI gefällts. (Screenshot Facebook)

Nachdem es zur Einigung kam, kündigte die Gruppierung einem Bericht der AZ zufolge an, sich aufzulösen. Die Social Media Feeds der »Bürgerinitiative« wurden folglich einige Tage danach weitestgehend gelöscht oder sind nicht mehr öffentlich einsehbar. Allgäu rechtsaußen liegen diese jedoch vor.

Die Radikalität der Inhalte auf A.’s Social Media Account nahm bis in die jüngste Zeit nicht ab. Stattdessen teilte er nun auch AfD-Content: So bewarb er etwa einen rechten Kanal »als Wahlhilfe« zur im Februar stattgefundenen Bundestagswahl, der für die rechtsradikale Partei Reklame machte. Die Social Media Seite der BI selbst präsentierte sich weniger unverhüllt – es wird ja schließlich auf die Außendarstellung geachtet. Dennoch verbreiteten sich rechte Narrative in den Kommentarspalten und die AfD stieß auch hier auf Resonanz. Es eint das gemeinsame Feindbild gegen Menschen auf der Flucht. So solidarisierte sich der AfD Kreisverband Ostallgäu/Kaufbeuren bereits im November 2023 mit der Westendorfer Anti-Asyl-Bewegung. Die AfD-Kreisräte Wolfgang Dröse, sowie Wladimir Salewski wiederholten auf Social Media ihre Unterstützung. Dröse initiierte schon 2022 eine Anti-Asyl-Kundgebung der AfD in Waal, die bei Dorfbewohner*innen jedoch auf starken Widerstand stieß. Auch Follower*innen der BI bewarben die AfD in den Kommentarspalten.

Mehr zu diesem Thema:  Hitlergruß bei Anti-Asyl-Kundgebung der AfD verurteilt

Ein weiterer Initiator bewirbt dagegen die Kleinstpartei DieBasis auf seinem Social Media Account, die aus dem Querdenken-Spektrum hervorging und dementsprechende verschwörungsideologische bis antisemitische Positionen vertritt. Parteien und Politiker*innen hingegen, die nicht in’s rechte Weltbild passen, wurden auf der Social Media Seite der BI diffamiert, das betraf vor allem die Ampel-Regierung und die Grünen. Für eine »echte Demokratie« wollte die rechtsradikale Initiative vorgeblich kämpfen, denn wiederholt bezweifelten ihre Mitstreiter in Querdenken-Manier eine existierende Demokratie in Deutschland.

Die unbeachteten Opfer

Nachdem es zur Einigung kam, kündigte die Gruppierung einem Bericht der AZ zufolge an, sich aufzulösen. Dass es in Westendorf weniger Geflüchtete und keine Container-Unterkunft geben wird, dürfte für die Asylgegnerschaft nur ein Teil des Erfolgs sein. Gefordert wurde schließlich, so ließ es auch Westendorfs zweiter Bürgermeister Wind verlauten, ein »gnadenloser Stop« der Geflüchtetenaufnahme. Was zugunsten der extremen Rechten bleibt, ist ein mit irrationalen Ängsten und Zorn aufgeladenes politisches und gesellschaftliches Klima, das seine Tore weit geöffnet hat für Feindbilder und Menschenverachtung. Durch unkritische Berichterstattung wurde dies weiter normalisiert. Von Flucht und Rassismus betroffene Menschen sind die abermals marginalisierten Opfer.

Ganz in die Fußstapfen der Westendorfer Anti-Asyl-Proteste scheint die sich jüngst formierte Protestbewegung in Blaichach zu treten. Auch dort ist von Gegenprotest, so wie er in Waal erfolgreich stattfand, bislang nichts zu hören.


(Titelbild: Flodur63, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)


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