So berichtet die AfD auf Facebook über einen Vortrag von Wilhelm Fachenauer und Walter Freudling zum Asylbewerberleistungsgesetz. Tatsächlich spielte die AfD bei der Wahlkampfveranstaltung soziale Misstände gegen Geflüchtete aus und bediente sich ich beim Sozialpopulismus des völkischen Flügels der AfD.

AfD-Landtagskandidat Vachenauer punktet mit sozialer Demagogie

Wilhelm Vachenauer bedient sich beim Sozialpopulismus des völkischen Flügels der AfD. In einem Vortrag spielt der Landtagskandidat soziale Misstände gegen Geflüchtete aus. Kruden Verschwörungstheorien aus dem Publikum wird nicht widersprochen.

Am 15. März 2018 referierte der Direktkandidat der AfD für die Landtagswahl im Stimmkreis Kempten in Ritschis Posthäusle zum Asylbewerberleistungsgesetz. Weil unterschiedliche Vorstellungen kursierten, was Flüchtlingen an Sach- und Geldleistungen zustünde, wolle Wilhelm Vachenauer, der sich am Donnerstag als Diplom-Handelslehrer und gelernter Wirtschafts- und Sozialgeschichtler vorstellte, »die Sache sachlich und korrekt klären«. Zur Vorbereitung habe er auf die Hilfe des Kemptener Sozialamtes zurück gegriffen.

Anhand einiger Folien veranschaulichte der pensionierte Berufsschullehrer die einzelnen Schritte des Asylverfahrens und zeigte die Leistungen auf, die Asylsuchende erhalten. An verschiedenen Beispielen rechnete Vachenauer vor, was Geflüchteten in verschiedenen Konstellationen zustehe. Man müsse dazu sagen, meinte Vachenauer, die Flüchtlinge könnten zur Tafel gehen und Essen umsonst bekommen, beim Roten Kreuz bekämen sie Kleidung. Das Sozialamt habe ihm mitgeteilt, »etliche Flüchtlinge fahren auch Auto mit diesem Geld.«

Der AfD-Politiker beklagt, dass Bekannte trotz Kindern weniger Geld zur Verfügung hätten, es schwierig sein könne, von Hartz IV zu leben und rechnet vor, wie einer Frau, die 45 Jahre gearbeitet hätte, nun kaum Geld zum Leben bleibe. Direkt darauf fordert Vachenauer die Abschiebung von 500.000 geduldeten Geflüchteten, um dann sofort wieder auf das Sozialthema zu wechseln.: »Wir müssen auch für diese Leute Sorge tragen, die das Bruttosozialprodukt – das Volksvermögen sozusagen – durch hartes Arbeiten aufgebaut haben«. Jetzt im Alter lasse man diese Leute »im Stich«. Das sei nicht in Ordnung und das sehe auch seine Partei so. Die Gäste der Veranstaltung quittieren solche Aussagen mit Applaus.

Sozialpopulistische Klaviatur des völkischen Flügels

Damit spielt der AfD-Landtagskandidat, der 2012 noch für die ödp zur Bundestagswahl antrat, eine offenbar vorhandene Unzufriedenheit mit sozialen Misständen gegen Geflüchtete aus. Dieselbe sozialpopulistische Klaviatur bedient auch der völkische Flügel seiner Partei. Allen voran Björn Höcke, der Thüringer Landes- und Fraktionschef, den die taz als »Leitfigur der Völkisch-Nationalen in der AfD« charakterisiert. So berichtet die Tageszeitung von einer Kundgebung Höckes Ende Januar auf dem Domplatz in Erfurt vor vielleicht 2.000 Anhängern:

»„Für die unterstützungsbedürftigen Leute, die es verdient haben, ist immer weniger Geld da“, ruft Höcke von der Bühne. Das liege, so seine schlichte wie eingängige Erklärung, an den vielen Geflüchteten im Land. „Wenn die Altparteien-Politiker unsere Sozialsysteme für alle Mühseligen und Beladenen öffnen, dann fahren sie unser Sozialsystem vor die Wand.“ Mal wird der AfD-Politiker mit zustimmenden „Volksverräter“-Rufen unterbrochen, mal mit „Höcke, Höcke“ bejubelt.«

Tatsächlich würden die Rentenpläne der AfD viele Menschen um ihre Rente bringen. Wie die Tagesschau berichtet, will die AfD, dass Arbeitnehmer gegebenenfalls auch nach dem 67. Lebensjahr noch arbeiten müssen. Denn: Laut AfD soll es kein festes gesetzliches Renteneintrittsalter mehr geben. An den AfD-Plänen, dass Beschäftigte erst nach 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in Rente gehen dürfen, übte Annelie Buntenbach als Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbund (DBG) scharfe Kritik: »Das bringt viele in Zukunft überhaupt um ihre Rente, auch wenn sie jahrelang eingezahlt haben«, so Buntenbach, »denn das sind ganz schön viele, die dabei durch das Raster fallen.« In Ritschies Posthäusle hört man davon am Donnerstag nichts.

»Nicht, dass es heißt, ich vertrete da eine bestimmte radikale Richtung«

Vacheanauer selbst führt nicht wie Höcke ausdrücklich aus, dass die Flüchtlinge Schuld seien, wenn die Sozialhilfe zu wenig ist, die Nachricht kommt aber beim Publikum in Ritchies Posthäusle an. Als es klare Worte von Vachenauer einfordert passt der erfahrene Redner:

»Müssen Sie wissen. Ich will die Fakten nur aufzählen, den Kommentar dürfen Sie abgeben. Nicht, dass es heißt, ich vertrete da eine bestimmte radikale Richtung – radix kommt von der Wurzel. Mache ich natürlich nicht. Aber damit Sie mal sehen wie das läuft.«

Geschickt zieht der Landtagskandidat sich immer wieder auf den Standpunkt zurück, nur Fakten zu präsentieren: Das sei nunmal so, so sei die Gesetzeslage, das müsse man akzeptieren.

»Sie sehen, wir gehen nach der Flüchtlingskonvention und lassen die Eltern dann zu uns kommen, damit die eben zusammengeführt werden«, beendete Vachenauer seinen einstündigen Vortrag. Gerade Menschen aus verschiedenen afrikanischen Ländern hätten besonders gute Möglichkeiten, Flüchtlingsschutz zu erhalten. »Und das wissen die natürlich und kommen dann halt auch zu uns.« Deutschland nehme im Übrigen 60 Prozent aller Flüchtlinge in Europa auf.

»Und da geht mir auch das Messer im Sack auf«

Nach dem Beitrag Vachenauers ergreift ein unangekündigter zweiter Redner das Wort, der sich zuvor als Walter Freudling vorstellte. Die Homepage der bayerischen AfD weist Freudling als Beisitzer im Vorstand des Kreisverbandes Oberallgäu-Kempten-Lindau unter Peter Felser aus.

Sein Ton ist deutlich schärfer als der seines Vorredners. Er heizt die Stimmung im Saal auf und referierte recht willkürlich ausgesucht erscheinende Einzelschicksale sozialer Misstände. Etwa hätte eine Rentnerin, die ihr leben lang gespart hätte, keine Sozialleistungen bekommen, bevor »das ganze Geld was sie im Leben verdient hat und was sie sich angespart hat, das hat sie hergeben müssen. Und das ist eine Sauerei ist das und nichts anderes!«

Geflüchtete dagegen, so beschwerte sich Freudling, würden zeitweise auch in Neubauten einquartiert. Auch er habe gebaut. Aber er habe zahlen müssen, zahle immernoch: »I hab‘ schaffe müsse ganz einfach«, empört sich Freudling. »Und da geht mir auch das Messer im Sack auf, wenn unsereins muss schaffa und dua, damit er zu was kommt und deana werd’s nag’stellt. Tut mir leid, habe ich auch kein Verständnis. Keins!« Ähnlich geht es weiter in Freudlings gut zwanzigminütigem Kurzvortrag. Er fordert eigene Polizeiwachen neben Geflüchtetenunterkünften, mehr Abschiebungen und Wohnungen für Deutsche. Das Publikum applaudierte.

»Bezahlbare Wohnungen zuerst für Deutsche!« Walter Freudling teilt einen Spruch der NPD in einem sozialen Netzwerk.

»rege, aber stets sachliche Diskussion«

»Voller Saal« titelte die Partei am Samstag auf ihrer Facebook-Präsenz in einem Bericht zur Veranstaltung. In dem Beitrag, der später auch auf der Homepage der Kemptener AfD erscheint, ist von »knapp 60 interessierten Zuhörern« die Rede. Tatsächlich dürfte die angegebene Besucherzahl um etwa 20 Prozent zu hoch gegriffen sein. Der Redebeitrag von Walter Freudling wird nicht erwähnt. Stattdessen heißt es:

»Am Ende des Vortrags gab es eine rege, aber stets sachliche Diskussion. Dabei meldeten sich auch einige Rentner zu Wort, die an ihren Beispielen verdeutlichten, dass sie sich mit ihrer Kleinstrente gerade so über Wasser halten können.«

Vor Ort klang das anders. So behauptete etwa eine Frau aus dem Publikum, Migranten seien mit Versprechungen von überall nach Deutschland »angelockt« worden. Das sei »ein doppelter Völkermord.« Keiner der Referenten widersprach.

Diskussion gleitet in krude Verschwörungstheorien ab

Dann gleitet die Diskussion in krude Verschwörungstheorien ab. Auf die Behauptung, die Fluchtbewegungen im Jahr 2015 seien »gesteuert von interessierten Kreisen«, gab es mehrere zustimmende Zwischenrufe. »Die eigentlichen Motive dahinter die werde ich nie begreifen. Nie«, kommentierte Wilhelm Vachenauer. Seiner Meinung nach hätte man aus arabischen Ländern fliehende Menschen »heimatnah, klimanah und glaubensnah« in Containerdörfern unterbringen und beschulen sollen.

Ein weiterer Diskutant sekundierte mit einer angeblich »gezielte[n] Volksvermischung von interessierten Kreisen, die langfristig einen Einheitsmenschen formen wollen, der leicht lenkbarer und manipulierbarer ist.« Auch auf diese Verschwörungstheorie erfolgte kein Widerspruch. Stattdessen erhält auch dieser Redner Applaus.

Selbst die krudesten Verschwörungsideologien wie sie in Reichsbürgerkreisen kuriseren konnten auf der Veranstaltung der Ostallgäuer AfD widerspruchsfrei geäußert werden. So wurde in einem Diskussionsbeitrag gar die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat in Frage gestellt:

»Was ist die Bundesrepublik Deutschland überhaupt? Ist es ein souveräner Staat oder sind wir eine Kolonie von den Amis? […] also den Siegermächten. Ich habe da einiges im Internet gesehen. Haarsträubend.«

Als Aufbruchstimmung im Saal einkehrte, nutzte Wilhelm Vachenauer die letzte Gelegenheit, um erneut für seine Wahl in den bayerischen Landtag zu werben: »Wenn Sie überzeugt waren, dass wir sie neutral umfassend informiert haben und wenn sie sehen welche politische Meinung wir haben dann kann man sie und darf man sie bitten, dass sie am 14. Oktober das Kreuz bei unserer Stelle anbringen.« Bei einem Großteil des Publikums in Richtis Posthäusle dürfte Vachenauer mit seinem Auftritt gepunktet haben.


(Titelbild: Facebook-Screenshot des Berichts der AfD zum Vortrag am 15. März 2018 zum Asylbewerberleistungsgesetz mit Wilhelm Vacehnauer und Walter Freudling)

 


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