Auf diesem Gehöft bei Seibranz fand eines der Konzerte statt, das andere wurde von hier logistisch unterstützt. Das Gebäude gehört einem Anhänger von Voice of Anger.

Gehöft im Besitz von Voice of Anger?

Seit dem Neonazikonzert vor einem Monat wurde spekuliert, ob das einsame Gehöft in den Wäldern Bad Wurzachs in der Hand von Neonazis ist. Jetzt gibt es Gewissheit. 

Anfang Oktober lockte die örtliche Neonaziszene etwa 250 Fans extrem rechter Musik zum 15-jährigen Jubiläum von Voice of Anger zu einem Konzert ins Allgäu. Seitdem wurde spekuliert, ob das Ensemble aus mehreren großen Gebäuden in der Hand der Neonazikameradschaft ist oder eigens für das Konzert überlassen wurde. Nach dem Konzert kamen Gerüchte auf, nach denen das landwirtschaftliche Anwesen kürzlich vererbt worden sei. Wir wollten es genau wissen und haben recherchiert.

Nach dem Willen der Veranstalter sollte das Konzert von der Öffentlichkeit unbemerkt über die Bühne gehen. Ein Flugblatt wurde innerhalb der Szene in Umlauf gebracht. Es enthielt die Anweisung, dass es nur intern weiter gegeben werden und nicht ins Internet gestellt werden dürfe.

Das Flugblatt zum Konzert, das Allgäu ⇏ rechtsaußen am Tag vor dem Konzert veröffentlichte.

Konspiratives Scheitern

Selbst Szeneangehörigen, die den Flyer zugesteckt bekamen,  wurde zunächst nur verraten, dass das Konzert irgendwo in Süddeutschland stattfinde. Wer sich vorab anmeldete, erhielt eine Kontakttelefonnummer und konnte darüber einen Schleusungspunkt an der Autobahn A96 erhalten. Erst am Authohof bei Aichstetten sollten die Konzertbesucher erfahren, wo genau das Konzert stattfinden würde.

Dieses Vorgehen ist üblich bei konspirativ organisierten Szeneveranstaltungen. So sollen Polizei, Behörden und die Öffentlichkeit möglichst lange im Ungewissen gelassen werden – oder das Konzert ganz im Geheimen bleiben.

Am Schleusungspunkt der Neonazis in Aichstetten am 7.10.2017 ©N. Kelpp

Doch Allgäu ⇏ rechtsaußen veröffentlichte den Treffpunkt und das bis zu diesem Zeitpunkt nur intern verbreitete Flugblatt am Tag vor dem Konzert. Die Schleusung etlicher Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland wurde dann von der Polizei, einer antifaschistischen Kundgebung und der Presse begleitet.

Verfolgung bis zum Konzert

Wer sich vom Schleusungspunkt aus zum braunen Musikevent anreisenden Autos anschloss und die Verfolgung aufnahm, wurde zunächst über eine parallel zur Autobahn verlaufende kleine Nebenstraße, durch eine handvoll Häuser namens Auenhofen und anschließend über eine enge Serpentinenstraße den Hügel hinauf am Schloss Zeil vorbei  geführt. Weiter ging es durch ein kurviges Waldstück und über Felder nach Seibranz.

Am Schleusungspunkt der Neonazis am Autohof Aichstetten an der A96 ©N. Kelpp

Vom Ortsausgang des kleinen 1975 nach Bad Wurzach eingemeindeten Dorfes führte die Route zum Neonazi-Event weiter durch die Dunkelheit über eine enge Straße ohne Fahrbahnmarkierung. Am Weiler Talacker mussten die Konzertbesucher sich einer Überprüfung durch die Polizei unterziehen. Wenige hundert Meter hinter dem hell erleuchteten Kontrollpunkt wies Personal des Veranstalters die Besucher an, auf der mit Absperrband gekennzeichneten Wiese neben den bereits eingetroffenen mehr als 50 Autos zu parken.

Ein einsames Gehöft…

Die Polizei und die wenigen Pressevertreter, die sich bis hier hin vorwagten, fanden beste Voraussetzungen vor, um die große Neonazifeier von der Öffentlichkeit unbemerkt über die Bühne gehen zu lassen: Ein einsames von Wäldern eingeschlossenes Gehöft zwischen Bad Wurzach, Memmingen und Leutkirch im Allgäu. Ohne die Veröffentlichung von Flugblatt und Schleusungspunkt wäre der aus dem hinter dem Haus errichteten Festzelt dröhnende Hassgesang wohl gar nicht aufgefallen.

Das einsame von Wäldern eingeschlossene Gehöft

Nach dem mit 250 Besuchern größten Neonazikonzert der letzten Jahre in der Region kursierten Gerüchte, dass der Hof vererbt worden war. Tatsächlich ist der 1937 geborene frühere Nutzer des landwirtschaftlichen Anwesens am 28. Februar verstorben. Nur zehn Tage vor dem Konzert wurden dann am 27. September die Tochter des Verstorbenen  Monika Br., Mann Hubert Br. – sowie der Enkel des toten Futtermittelunternehmers Thomas Br. als neue Eigentümer des Flurstücks ins Grundbuch eingetragen.

… in der Hand von Neonazis?

Der nebenberuflich Medienschaffende zeichnet sich seit Jahren verantwortlich für die Domain des inzwischen eingestellten und aus dem Internet verschwundenen Projektes Movement Design. Heute leitet die Internetadresse auf einen Internetauftritt, auf dem Thomas Br. »Gestaltung von Homepages, Logos oder ähnlichem« anbietet.

Gäste auf dem Weg zum Neonazikonzert  bei Seibranz ©N. Kelpp

Der Copyright-Hinweis auf der Homepage eines Tattoostudios in Kümmerazhofen bei Bad Waldsee verwies seit 2013 auf das Internetangebot von Thomas Br. Er dürfte also für das Design  der Website, deren Logo einen Totenkopf mit Stahlhelm im Stile der Wehrmacht Nazi-Deutschlands zeigt, verantwortlich gewesen sein. Inzwischen wurde der Copyright-Eintrag geändert. Das Studio bietet nicht nur Körperverzierungen mit teils bei rechtsradikalen beliebter Symbolik. Zum Repertoire der »Tattoo Brotherhood« gehört auch das Veranstalten vor Partys und Konzerten. So etwa das Rockkonzert Ride and Fly auf dem sich 2014 Neonazis aus dem Umfeld von Voice of Anger trafen.

Thomas Br. präsentiert sich auf einem Profilphoto in einem Voice of Anger-Shirt und zeigt auf Instagram seine Tattoos mit einschlägigen Motiven. Ein von ihm genutztes Kraftfahrzeug wurde wiederholt an der von Voice of Anger gekauften ehemaligen Gartenschänke in Buxach-Hart bei Memmingen gesichtet und parkte mehrmals am Gehöft in den Wäldern Bad Wurzachs. Das amtliche Kennzeichen des PKW endet auf »1488«. Der Zahlencode gilt in Neonazikreisen als Anspielung auf die »Fourteen Words«, einen vor allem unter weißen Rassisten verbreiteten Glaubenssatz. Als dessen Erfinder gilt der US-amerikanischen Rechtsterrorist David Eden Lane, Die Zahl 88 bezieht sich oft auf Lane’s »88 Grundsätze« und wird gerne als kaum versteckte Referenz auf den verbotenen Hitlergruß verwendet.

Das einsame Gehöft ©S. Lipp

Für eine Stellungnahme, ob das Gebäude weiterhin für Neonazikonzerte zur Verfügung stehen wird, war weder Thomas Br. noch seine Miteigentümer zu erreichen. Es ist allerdings – das zeigt unsere Recherche – davon auszugehen.

Um Thomas Br. von einem gewalttätigen Namensvetter  Thomas B. unterscheidbar zu machen, verwenden wir die ersten zwei Buchstaben seines Familiennamens, um Br. vor einer sonst möglichen Verwechslung zu schützen. Thomas B. griff im Außenbereich des Konzertes am Gehöft einen Journalisten an.

 


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