Zuschlag für Nazi-Kameradschaft Voice of Anger

Voice of Anger erhält den Zuschlag für die ehemalige Gartenschänke in Buxach-Hart bei Memmingen. Das Gebäude wurde zwar von Unbekannten niedergebrannt, dürfte aber nun von den Neonazis wieder aufgebaut werden, die damit einen Treffpunkt für das internationale  militante Blood and Honour-Netzwerk im Allgäu etablieren könnten.

Das Grundbuchamt Memmingen darf die Grundbucheintragung von Boris G. als Erbbaurechtsinhaber des Grundstücks an der Schrebergartenanlage in Buxach-Hart bei Memmingen nicht länger verweigern. Eine entsprechenden Beschluss gab der am Bundesgerichtshof in Karlsruhe heute bekannt. Mit der Entscheidung vom 29. Juni hebt der V.  Zivilsenat den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 29. September 2016 sowie die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes am Amtsgericht Memmingen vom 4. Mai auf, mit denen die Eintragungen ins Grundbuch verweigert wurden.

Damit könnte es Voice of Anger – der immerhin größten noch aktiven bayerische Nazi-Skinhead-Gruppe gelingen, in der Region auch wieder Neonazi-Konzerte zu organisieren – und einen Treffpunkt für das verbotene Blood and Honour-Netzwerk zu etablieren.

Kampf um Treffpunkt

Voice of Anger 2012 auf ihrer Homepage
Voice of Anger 2012 auf ihrer Homepage

Seit ihrer Gründung kämpfen die Neonazis um ein eigenes Clubhaus – bisher konnten sie keines halten. Bis Ende 2011 konnten sie ein Gebäude in Tannheim im baden-württembergischen Landkreis Biberach und bis Mai 2012 eines in Weitnau im Landkreis Oberallgäu vorübergehend nutzen.

Auch ohne eigenes Clubhaus gelingt es der Szene, Räume im Allgäu zu nutzen. Am 29. März 2014  trafen sich zum Beispiel unter dem Vorwand einer Verlobungsfeier Neonazis in einem Lokal in Apfeltrach bei Mindelheim. Die Polizei kontrollierte knapp über 60 Neonazis, die überregional angereist waren – und stellte zwei Macheten, ein Messer und ein T-Shirt mit einer verbotenen nationalsozialistischen Rune fest.

Kauf eines eigenen Gebäudes

Voice of Anger gelang zwei Jahre später der Kauf eines Gebäudes in Buxach-Hart an der Talstraße. Dies wurde durch Recherchen des Störungsmelder von ZEIT ONLINE am 12. Juli 2016 aufgedeckt, nachdem die Neonazis sich zum gemeinsamen Fußball schauen  des letzten WM Spiels der National-Elf im erworbenen Objekt trafen. Dabei waren etwa auch in der Kameradschaft aktive Skinheads die Anhänger der NPD sind und ein Kampfsportler des »Herzblut Sportclub« aus Memmingen,  in dem in Shorts mit dem Aufdruck Blood&Honour trainiert wird.

Anhänger von Voice of Anger vor der Gartenschänke ©S. Lipp
Anhänger von Voice of Anger vor der Gartenschänke ©S. Lipp

Das Gebäude in Buxach-Hart wurde früher als »Gartenschänke« des anliegenden Kleingartenvereins genutzt. Am 11. Februar 2016 schloss Boris G. einen Kaufvertrag mit der bisherigen Eigentümerin und wurde eine Woche später im Grundbuch vorgemerkt. Am Folgetag erteilte die Stadt Memmingen ihre Zustimmung. Markus W. beantragte eine Ausschanklizenz.

»Kein Raum für Nazis«

Der geplante Eigentümerwechsel blieb aber nicht unbemerkt: Nazigegner machten am 7. Juli 2016 mit einer Kundgebung »Kein Raum für Nazis« vor der Immobilie darauf aufmerksam, dass nun Neonazis die ehemalige Gartenschänke betreiben wollen. Die Stadt widerrief die wegen einer entsprechenden Grundbucheintragung notwendige Zustimmung, wodurch vorerst die endgültige rechtswirksame Übertragung durch das Grundbuchamt verhindert wurde. Auch die Ausschanklizenz wird einstweilen nicht erteilt. Der Käufer Boris G. zog dagegen vor Gericht. Hierbei lässt er sich vom Szeneverteidiger Alexander Heinig vertreten.

Das Oberlandesgericht vertritt die Ansicht, der »fristgerecht erklärte Widerruf hebt die zuvor wirksam erklärte Zustimmung auf und führt zu deren Erlöschen«. Entsprechend wies das Gericht die Beschwerde von G. zurück. Der Bundesgerichtshof wies diese Ansicht zurück und hob den Beschluss auf.

Brandanschlag?

Allerdings ist die ehemalige Gartenschänke  inzwischen niedergebrannt. In der Nacht auf den 25. April 2017 ist das Gebäude durch Brand- und Wasserschaden komplett zerstört worden. Auf einer linken Plattform im Internet tauchte noch in der Nacht ein Bekennerschreiben auf. Dort heißt es, man habe in der fraglichen Nacht einen Brandsatz im Clubhaus der Neonazi-Kameradschaft Voice of Anger gelegt. Auch die Polizei geht von Brandstiftung aus. Damit hat Voice of Anger nach nur wenig mehr als einem Jahr erneut ein Clubhaus verloren.

Die ausgebrannte Hütte am Tag nach dem mutmaßlichen Anschlag
Die ausgebrannte Hütte am Tag nach dem mutmaßlichen Anschlag ©N. Kelpp

Internationale Vernetzung

Trotz des unklaren Eigentumsverhältnisses war Voice of Anger während des kurzen Jahres dabei, in der Gartenschänke mit internationaler Vernetzung und Konzertveranstaltungen Fakten zu schaffen.

Voice of Anger-Mitglieder am Clubhaus am 12.11.16 ©S. Lipp
Voice of Anger-Mitglieder am Clubhaus am 12.11.16 ©S. Lipp

Am 12. November 2016 etwa trafen sich bis zu 50 Neonazis in dem Clubhaus zu einem »Balladenabend« mit dem kanadischen Neonazi David Allan Surette alias »Griffin». Surette gründete 1992 in Kanada die Band Aryan (englisch für Arier oder arisch), mit der er einen religiösen Rassismus besang, wie er auch vom Ku-Klux-Klan oder Aryan Nations gepredigt wird. Das erste Album erschien bei Resistance Records, dem Label des Frontmannes der Band Rahowa. Der Name steht für »Racial Holy War«, also »Heiliger Rassenkrieg«.

Noch immer tritt »Griffin« mit seiner inzwischen in Stonehammer umbenannten Band oder Solo mit Dudelsack auf. Griffin hat gute Kontakte zum in Deutschland verbotenen Blood and Honour-Netzwerk (B&H) und ist Mitglied der Vandalen, einer, so das Magazin Antifaschistisches Infoblatt, Berliner »Neonazi-Combo mit Rocker-Habitus« wie Voice of Anger. Die Vandalen nennen sich auch »ariogermanische Kampfgemeinschaft« und offenbaren damit sowohl ihre Ideologie als auch ihre gewaltaffinität.

Voice of Anger-Mitglieder am Clubhaus am 12.11.16 ©S. Lipp
Voice of Anger-Mitglieder am Clubhaus am 12.11.16 ©S. Lipp

Auch Faustrecht, eine Rechtstrock-Band aus dem Unterallgäu, war unter den Besuchern des »Balladenabend« vertreten. Die Band tritt regelmäßig international auf Blood and Honour-Konzerten auf. Der Mindelheimer Sänger »Nogge« soll »seit vielen Jahren regen Kontakt« mit dem kürzlich verstorbenen Hammerskin und V-Mann Roland Sokol betrieben haben. Dieser sprach selbst von Faustrecht als »meine Freunde«. Einige der in der Neonazi-Szene sehr bekannten Tonträger werden vom Bad Grönenbacher Label Oldschool Records produziert, dessen Betreiber, Benjamin Einsiedler, wiederum als Führungsfigur von Voice of Anger gilt.

Mitglieder von Voice of Anger sind auch selbst  ständig bundesweit auf Szeneevents unterwegs um sich zu vernetzen.

Wieder Nazi-Konzerte im Allgäu?

Nun wird die Allgäuer Neonazi-Szene aller Wahrscheinlichkeit nach das Gebäude neu – und entsprechend der eigenen Ansprüche als Neonazi-Veranstaltungsort – errichten. Dann könnte Voice of Anger zusätzlich zum Geschäft mit Produktion und Vertrieb von Neonazi-Musik, in der Region auch wieder Neonazi-Konzerte organisieren – und einen Treffpunkt für das internationale militante Blood and Honour-Netzwerk etablieren.


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